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Beautiful Americans 03 - Leben á la carte

Beautiful Americans 03 - Leben á la carte

Titel: Beautiful Americans 03 - Leben á la carte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucy Silag
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welches Unheil sie über andere bringen kann.
    »Lass uns heute nicht ins Musée d'Orsay gehen. Es ist zu schön draußen, um irgendwo reinzugehen. Ist das nicht cool?« Es ist ein herrlicher Tag. In Paris kann das Wetter im Frühling ziemlich schwanken - in dieser Woche habe ich schon drei unterschiedlich dicke Jacken getragen. Heute habe ich aber nur einen Cardigan und einen Schal angezogen.
    »Kein Problem«, meint Bobby. »Wie ich schon sagte: Ich mache gern alles mit, worauf du Lust hast.«
    Wir spazieren in östlicher Richtung an der Seine entlang und stoßen unabhängig voneinander einen langen Pfiff aus, als wir die endlose Schlange vor dem Musée d'Orsay sehen, all die vielen Menschen, die darauf warten, hineinzukommen. Ich bin froh, dass wir beschlossen haben, draußen zu bleiben.
    »Wissen Romy und Jacques, dass du schwul bist?«, will Bobby nach einer Weile wissen.
    »Ich bin mir nicht sicher«, antworte ich ihm ehrlich. »Ich glaube, das ist ihnen nicht wirklich wichtig, so oder so. Zu Haus war das immer so ein Riesending. Oder wäre es, wenn sie es wüssten. Meine Familie hat einen Hang zur Dramatik. Ich wünschte, ich könnte sie gegen ein weniger bibeltreues Modell eintauschen!«
    »Was meinst du mit Hang zur Dramatik?«
    »Hm, wo soll ich anfangen?« Ich denke an meinen Dad und wie er sich immer in seine langen Tiraden über das Gute gegen das Böse reinsteigert. Er duldet definitiv keine Homosexualität. Meine Mom auch nicht, aber sie entspricht mehr dem Typ Superchristin, die sich gern ehrenamtlich um Sünder kümmert. Wahrscheinlich würde sie meine Homosexualität als Mission ansehen: Sie würde mich nicht ablehnen, sondern sie wäre davon überzeugt, dass sie mir das mit Jesus' Hilfe austreiben könnte. »Wenn ich es meinen richtigen Eltern erzählen würde, würden die ausrasten. Meine Eltern würden weinen, und sie würden beten und wahrscheinlich müsste unser Pfarrer zu uns kommen und meine ganzen Sachen durchwühlen, um zu sehen, ob sich irgendetwas zu Schwules darunter befindet. Die ganze Gemeinde würde Wind davon bekommen. Alle würden dazu aufgefordert, für mich zu beten! Irgendwie verberge ich mein Schwulsein gar nicht deshalb vor ihnen, weil ich Angst habe, was sie dann denken könnten, sondern weil ich nicht die Energie hätte, mit der ganzen Lawine umzugehen, die ich dadurch lostreten würde.«
    »Verständlich«, sagt Bobby.
    »Aber irgendwie möchte ich es ihnen gern sagen, weil ich es verdammt leid bin, zu verstecken, wer ich wirklich bin. Das kostet auch ganz schön viel Energie. Und irgendwie denke ich, dass sie es sowieso schon wissen. Das müssen sie einfach. Ich meine, ich trage schließlich Schmuck.« Ich schüttle mein Handgelenk mit meinem schweren Namensarmband. Auf dem Anhänger ist eine Rose zu sehen und es steht PAZ darauf. Ich habe es online gekauft.
    »Du solltest es ihnen auch sagen.« Bobby schaut mich lachend an und zuckt mit den Schultern. »Warum sagst du es ihnen nicht, solange du noch hier bist? Schreib ihnen doch einen Brief! Dann könnten sie den ersten Schock verarbeiten, während du noch weg bist. Bis du dann nach Hause kommst, haben sie sich vielleicht schon wieder etwas abgeregt.«
    Gar keine schlechte Idee. Ich male mir in Gedanken aus, wie ich den Brief schreibe, eine Briefmarke draufklebe und den Umschlag in den Briefkastenschlitz stecke, auf dem » Etranger « steht. Dann wäre es nicht mehr rückgängig zu machen, außer vielleicht mit Postbetrug. Aber auch wenn ich in mancherlei Hinsicht, na ja, sagen wir mal unkonventionell bin, so würde ich doch nie etwas Gesetzeswidriges tun.
    »Ja, vielleicht mache ich das«, sage ich und grinse Bobby an. »Weißt du, ich freu mich echt, dass du zu Besuch gekommen bist. Erst die Sache mit Alex, jetzt das Coming-out gegenüber meinen Eltern. Was würde ich nur ohne deinen Rat machen?«
    »Unglücklich und allein sein«, erwidert Bobby.
    Es ist echt schön, mit ihm zu quatschen. Die Sachen, die er sagt, machen einfach Sinn. Es ist ziemlich toll, mit einem anderen Typen, der so ist wie ich, nach einem Schulhalbjahr voll mit Drama-Queens und überprivilegierten Sportlern in der Schule reden zu können.
    »Isst du gern Eis?«, frage ich ihn.
    »Wer tut das nicht?«
    Wir gehen weiter in östliche Richtung und mischen uns unter Touristen aus aller Herren Länder. An der Pont de la Marie, hinter den pittoresken steinernen mittelalterlichen Sehenswürdigkeiten Notre Dame und Saint Michel, biege ich nach links und

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