Beautiful Americans 03 - Leben á la carte
dass Romy so langweilig ist, dass wir auf gar keinen Fall hier in der Küche bleiben und mit ihr Wein trinken können, während sie das Abendessen zubereitet. Noch vor dem Essen geht uns garantiert der Gesprächsstoff aus! Aber Bobby zieht sich einen der Küchentischhocker zur Theke heran und sieht zu, wie Romy Karotten schnippelt. »Sie kochen gern?«
Bobby findet dies und mehr heraus, während er sein Glas Rotwein austrinkt. Als es leer ist, gießt ihm Romy sofort nach. »Hilf mir beim Salat, ja?«, bittet sie ihn und sieht dabei wie ein junges Mädchen aus. »Die Soße kocht sonst über.«
Seltsam, dass sich Romy plötzlich so benimmt, als wäre sie total häuslich. An den meisten Abenden wärmt sie nur eine Casserolle von Picard auf und wirft ein paar Salatblätter in eine Schüssel. Da kocht ja sogar Mireille, Romys zehnjährige Tochter, mehr als sie!
»Oui, ich wünschte, ich käme mehr zum Kochen«, bemerkt Romy. »Also, richtiges Essen. Aber nach der Arbeit bin ich oft müde, weißt du.«
»Klar«, entgegnet Bobby. »Das sieht sehr lecker aus. Kann's kaum erwarten, es zu probieren.«
Jacques und die Kinder kommen herein. Romy ist von Bobby sichtlich angetan.
»Warum gehen wir Sonntag früh nicht alle zur Ostermesse in die Kathedrale von Chartres?«, fragt Romy nach ein paar Minuten des schweigenden Kauens. »Das wird sicher schön. Hinterher könnten wir brunchen.«
»Was für eine tolle Idee!« Bobby schaut strahlend in die Runde.
Falls er meine Gastmutter beeindrucken will, so hat er sein Ziel jedenfalls erreicht. Eindeutig. Als ich nach dem Essen beim Abräumen helfe, hält sie mich kurz zurück und sagt, mein Freund sei »très gentil« und dass sie sich sehr darüber freue, dass ich ihn eingeladen habe.
Bobby hat ein paar amerikanische DVDs mitgebracht, lauter Zeug, das seine Eltern ihm über den Auslandsdienst haben zukommen lassen. Während er seine Sachen in meinem Zimmer auspackt, fragt er mich, ob ich heute Abend einen Film anschauen will.
»Klar«, entgegne ich. »Aber die laufen wahrscheinlich nicht auf Jacques und Romys DVD-Player.«
»Wir könnten sie uns hier drinnen auf deinem Laptop ansehen«, schlägt Bobby vor.
Ich schiebe meine Hände in die Hosentaschen und wippe auf den Fersen vor und zurück. »Oh ja. Das wäre schön.« Wir suchen uns eine romantische Komödie aus, die ich nicht im Kino gesehen habe, einen Film mit einem Haufen Jungs und Mädels in New York, die sich darum reißen, miteinander auszugehen. Ich glaube nicht, dass der es in Germantown, Tennessee, je ins Kino geschafft hat. Ich versuche, mein Einzelbett so herzurichten, dass es zu einer Art Couch wird, die Kissen alle an der Wand, sodass wir uns anlehnen können, ohne uns richtig ins Bett legen zu müssen. Dann stellen wir meinen Mac zwischen uns und legen die DVD ein.
»Die haben deine Eltern dir geschickt?«, frage ich nach ein paar Minuten ungläubig. Bis jetzt haben Jungen Jungen geküsst und Mädchen Mädchen, und einer hat einen flotten Dreier vorgeschlagen. »Die würden meine Eltern nicht nur in die Ecke pfeffern, sondern gleich ins Feuer werfen und verbrennen «
Bobby lacht. »Nein, das würden sie nicht.«
»Du lachst«, sage ich. »Aber es stimmt. Du kommst doch auch aus den Südstaaten, du weißt, wovon ich rede.«
»Aber hier die entscheidende Frage: Würden sie den Verdammungsgottesdienst und die Andacht abhalten, bevor sie die DVD ins Feuer werfen oder danach?«
»Oh, ganz sicher danach. Und noch bevor sie die Kanzel besteigen würden, hätten sie schon alle Nachrichtenredaktionen und die christliche Koalition verständigt, damit die herkommen und jemand nach dem Ereignis die Würstchen mitbringt.«
»Ja, klingt ganz nach den Südstaaten«, bemerkt Bobby. »Alte Ängste sterben eben nur sehr langsam.«
»Wie geht's Pierson überhaupt?«, frage ich. »Noch immer ganz verrückt nach Hannes?«
»Ja, natuulijk«, antwortet Bobby auf Holländisch. »Sie sind so verliebt wie eh und je. Hast du in letzter Zeit denn gar nicht mehr mit ihm gesprochen?«
»Nein. Nicht seit eurem letzten Anruf. Ich war ... ziemlich beschäftigt.« Beschäftigt damit, auf Andrés Anruf zu warten.
Darauf erwidert Bobby nichts mehr. Wir sehen uns den restlichen Film an, der tuntig ist, aber nicht sehr lustig. Verlegen sagen wir einander dann Gute Nacht und ich lege mich draußen auf die Couch.
Am nächsten Morgen laufe ich mit Bobby von der Wohnung bis zum Eiffelturm. Es ist nur ein zwanzigminütiger Fußmarsch.
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