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Beautiful Losers

Beautiful Losers

Titel: Beautiful Losers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leonard Cohen
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von dir nicht bieten.
    – Du wirst geliebt, du wirst in eine große Liebe geführt, du musst nur mitgehen. Ich kann dich nur beneiden.
    – Lass bloß die Finger von Edith, ich mag es nicht, wie sie im Kino immer zwischen uns sitzt. Ich erlaube das nur aus Höflichkeit, weil es sich so gehört.
    – Ich bin euch sehr dankbar dafür. Du kannst dir sicher sein, dass sie keinen anderen Mann lieben wird, wie sie dich liebt.
    – Glaubst du das wirklich, F.?
    – Natürlich. Die große Liebe ist ja nicht einfach eine Partnerschaft. Eine Partnerschaft ist eine Vereinbarung, die man lösen kann, juristisch, oder indem man einfach auseinandergeht. Du aber hast eine große Liebe, und aus der kommt man so leicht nicht raus, nein, du hast zwei große Lieben, Ediths und meine. Wer eine große Liebe hat, braucht auch jemanden, der ihm dient, man muss verstehen, mit dem Diener umzugehen.
    – Wie soll ich es ihr dann erklären?
    – Mit der Peitsche vielleicht, mit herrschaftlichen Befehlen, mit einem Sprung in ihren Mund, einer Würgelektion.
    Ich sehe F. am Fenster stehen, seine papierdünnen Ohren waren beinahe durchsichtig. Ich erinnere mich an die edel eingerichtete Wohnung, den Blick auf die Fabrik, die er unbedingt kaufen wollte, an die Seifensammlung, die auf dem grünen Filz des aufwendig verzierten Billardtischs zu einer Modellstadt aufgetürmt war. Wie durch eine feine Seifenscheibe drang das Licht durch seine Ohren. Ich höre noch seine affektierte Stimme, den leichten Eskimo-Akzent, den er nach einem Sommerpraktikum in der Arktis kultivierte. Du bist zwei großen Lieben ausgeliefert, sagte F. Was bin ich für ein unzulänglicher Hüter dieser Lieben gewesen, ein unverständiger Hüter, der seine Tage im Traummuseum seines Selbstmitleids verbracht hat! F. und Edith – beide haben mich geliebt! Doch eine Erklärung habe ich an jenem Morgen nicht gehört, oder ich habe ihr nicht getraut. Du verstehst es nicht, mit denen umzugehen, die dir dienen, sagte F. Seine Ohren glühten wie japanische Laternen. Es war das Jahr 1950, und ich wurde geliebt! Aber ich sprach nicht mit Edith darüber, ich brachte es nicht fertig. Nacht für Nacht lag ich im Dunklen und lauschte dem Aufzug, ich begrub meine stillen Befehle in meinem Gehirn, wie jene dringlich-stolzen Inschriften auf ägyptischen Bauwerken, die unter Tonnen von Sand ihre Stimme verloren haben. Stattdessen glitt ihr Mund über meinen Körper wie eine Vogelschar vom Bikini-Atoll, deren Orientierungssinn von der Strahlung zerstört war.
    – Aber ich warne dich, sagte F., es wird der Augenblick kommen, an dem du dich nach nichts so sehnst wie nach diesen ungerichteten Küssen.
    Auch Ediths Haut war durchsichtig, ihre Kehle lag unter der feinsten, zartesten Hülle. Es schien, als könnte eine schwere Muschelkette genügen, um eine blutende Wunde zu schlagen. Wenn ich sie an dieser Stelle küsste, glaubte ich, einzudringen in etwas Privates, Skeletthaftes, als küsste ich die Schulter einer Schildkröte. Ihre Schultern waren knochig, aber nicht mager, sie war nicht einmal dünn – doch egal wie viel sie ansetzte, es waren immer die Knochen, die ihren Körper bestimmten. Bereits mit dreizehn hatte sie eine Haut, die man als reif bezeichnen musste, und die Männer, die ihr damals nachstellten (es dauerte nicht lange, bis sie in einem Steinbruch vergewaltigt wurde), meinten, sie sei ein Mädchen von der Art, das sehr schnell altern würde. So trösten sich einsame Männer, wenn sie ein Kind erblicken, das für sie unerreichbar ist. Sie wuchs in einem kleinen Ort am Nordufer des St.-Lawrence-Stroms auf, wo sie den Zorn einer Reihe von Männern auf sich zog, die meinten, sie könnten ihre kleinen Brüste und ihren knackigen Hintern betatschen, nur weil sie eine Indianerin war – dazu noch eine A––––––! Mit sechzehn, als ich sie heiratete, war auch ich überzeugt, dass ihre Haut sich nicht erhalten würde. Sie hatte diese hauchdünn gespannte, feuchte Qualität, die wir mit Gewächsen verbinden, deren Verfall kurz bevorsteht. Doch als sie vierundzwanzigjährig starb, hatte sie sich praktisch nicht verändert. Nur ihr Hintern, der mit sechzehn noch aus zwei frei in der Luft hängenden Sphären bestanden hatte, hatte sich abgesenkt und ruhte auf zwei tiefen, geschwungenen Falten. Weiter war ihr körperlicher Verfall nicht gegangen, das war alles – bis sie mit einem Mal zerquetscht wurde. Ich möchte ein wenig in Erinnerung schwelgen. Sie liebte es, wenn ich ihren

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