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Beck Wissen - Materie - Von der Urmateria zum Leben

Beck Wissen - Materie - Von der Urmateria zum Leben

Titel: Beck Wissen - Materie - Von der Urmateria zum Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Mainzer
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Gleichgewichtszustand determiniert, voraussagbar und reproduzierbar. In isoliertem Zustand könnte diese Struktur nach den Gesetzen der Gleichgewichtsdynamik endlos erhalten bleiben. Nach Bestätigung der Atomtheorie in diesem Jahrhundert erschien Boltzmanns Erklärung von Gleichgewichtsstrukturen sehr befriedigend.
     
     
2. Materie in der Thermodynamik des Nichtgleichgewichts
     
    Strukturen der Materie lassen sich nicht allgemein nach dem Vorbild von Kristallbildung verstehen. Statistischer Ausgleich in isolierten und abgeschlossenen Systemen ist kein allgemeines Schema für Gleichgewichte in der Natur. Viele Systeme der belebten und unbelebten Natur können nur durch Stoff- und Energieaustausch mit ihrer Umwelt fern des thermischen Gleichgewichts existieren. {48} 1931 hatte Onsager das Verhalten von Systemen in der Nähe des thermischen Gleichgewichts untersucht. Wenn solche Systeme durch Randbedingungen am Erreichen des Gleichgewichts gehindert werden (z.B. durch Aufrechterhaltung unterschiedlicher Temperaturen an zwei Orten des Systems), dann streben sie nach Prigogine wenigstens einem stabilen Zustand minimaler Entropieerzeugung an, der dem Gleichgewicht so nahe wie möglich kommt. Die Entropieübertragung auf die Umgebung ist dabei so gering, wie es die Randbedingungen erlauben. {49}
    Onsager untersuchte zwar Zustände der Materie (z.B. chemische Reaktionen) unter den Bedingungen einer Nichtgleichgewichtsthermodynamik. Gleichwohl waren die Reaktionen dieser Systeme bei gegebenen Randbedingungen wie im Fall der Gleichgewichtsthermodynamik völlig voraussagbar. Im thermischen Gleichgewicht sind die thermodynamischen Flüsse und Kräfte gleich Null. In der Nähe des thermischen Gleichgewichts sind sie schwach. Mathematisch hängen die Flußgeschwindigkeiten chemischer Reaktionen in diesem Fall linear von ihren verursachenden Kräften ab. Man spricht daher von einer linearen Thermodynamik des Nichtgleichgewichts.
    Wie entstehen aber Ordnungszustände fern des thermischen Gleichgewichts,  wenn bei hoher Flußgeschwindigkeit z.B.
    Strudel in einem Fluß oder Turbulenzen in der Atmosphäre beobachtet werden? Ein berühmtes Beispiel sind die Bewegungsmuster, die als Benard-Konvektionen bekannt wurden. Dazu betrachtet man eine dünne Schicht Flüssigkeit zwischen zwei horizontalen und parallelen Platten. Die Flüssigkeit strebt sich selbst überlassen in das Gleichgewicht, d.h. einen homogenen Zustand, in dem statistisch die Moleküle nicht unterscheidbar sind, wenn kein Temperaturunterschied zwischen den beiden Platten besteht. Durch Erhöhung des Kontrollparameters (d.h. Erwärmung der unteren Platte) wird ein Temperaturunterschied herbeigeführt. Bei geringen Temperaturunterschieden kehrt das System selbständig zum Gleichgewichtszustand zurück. Wird aber der Temperaturunterschied weiter erhöht, dann entstehen bei einem bestimmten Schwellenwert regelmäßige Zellen, in denen Flüssigkeitsschichten rotieren. Ursache ist eine auf-und absteigende Strömung, die durch verschiedene Dichten der Teilchen in der Nähe der unterschiedlich erwärmten Platten eingeleitet werden. Dabei findet insofern eine echte Symmetriebrechung statt, als sich die Flüssigkeit in den Konvektionszellen abwechselnd nach links oder rechts dreht und damit jeweils eine Richtung bzw. ein Ordnungsmuster auszeichnet. Man spricht von einer thermodynamischen Verzweigung bzw. Bifurkation, deren neue stabile Lösungen sich nicht prognostizieren lassen. Treibt man chemische Reaktionen durch Erhöhung des Kontrollparameters (z.B. Konzentration eines chemischen Stoffs) immer weiter vom Gleichgewichtszustand fort, so können sich die Bifurkationen der möglichen Verzweigungen erheblich erhöhen und zu einem Bifurkationsbaum möglicher thermodynamischer Entwicklungen der chemischen Reaktionen führen. In einem solchen Bifurkationsbaum wird die Unterscheidung einer linearen und nicht-linearen Thermodynamik des Nichtgleichgewichts anschaulich. Beim Gleichgewichtspunkt der Substanz und in seiner Nachbarschaft liegt der Kontrollparameter im linearen Bereich der Reaktion auf einem thermodynamischen Zweig. Hier gilt Prigogines Satz von  der minimalen  Entropieerzeugung, und  die  Reaktion verbleibt in einem stabilen stationären Zustand. Jenseits eines kritischen Abstands wird der Zweig instabil, und das nichtlineare Regiment des Bifurkationsbaums beginnt.
    Daß der thermodynamische Bifurkationsbaum auch in Chaos und Irregularität ohne lokale stabile

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