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Beck Wissen - Materie - Von der Urmateria zum Leben

Beck Wissen - Materie - Von der Urmateria zum Leben

Titel: Beck Wissen - Materie - Von der Urmateria zum Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Mainzer
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Kohle, Erdgas und Torf zusätzliches Kohlendioxyd in die Atmosphäre emittieren. Der schwedische Chemiker Arrhenius errechnete bei einer Verdopplung des atmosphärischen Kohlendioxydgehalts einen Anstieg der durchschnittlichen Globaltemperatur um ca. 5,5°C. Insgesamt prognostizierte Arrhenius im Grundsatz richtig, daß die steigende Menge von Kohlendioxyd in der Atmosphäre das lebensnotwendige Treibhaus in eine Hitzefalle verwandeln könnte.
    Eine Auswertung von Luftproben, die in der Eisdecke Grönlands und der Antarktis eingeschlossen waren, bestätigt, daß sich seit der industriellen Revolution der Kohlendioxydgehalt der Luft um rund 25% erhöht hat – eine Folge der zunehmenden Geschwindigkeit im Brennstoffverbrauch und bei der Waldrodung. Erst in den letzten 15 Jahren wurde die Bedeutung der Luftverschmutzung für das Klima voll erkannt. Atmosphärenforscher wiesen nach, daß die das Ozon zerstörenden Fluorchlorkohlenwasserstoffe (FCKW) mit dem Kohlendioxyd die Eigenschaft gemeinsam haben, Strahlungswärme zu absorbieren und damit eine weltweite Erwärmung in Gang zu setzen. Darüberhinaus konnte ermittelt werden, daß verschiedene Treibgase ihre Wirkung in der Atmosphäre gefährlich kumulieren. {74}
    Seit den 70er Jahren wird unter dem Eindruck zunehmender Umweltbelastung die Frage diskutiert, ob der menschliche Umgang mit Stoffen und Materialien naturwüchsig sich selber überlassen oder durch Grenzen oder qualitatives Wachstum ersetzt werden sollte. Es stellt sich die Frage, wie die Umweltbelastung, die Industrieproduktion, der Energieverbrauch, die Nahrungsmittelmenge, das Bevölkerungswachstum, die Kapitalbildung etc. ins Gleichgewicht gebracht werden könnten. Die Kritik richtet sich gegen das quantitative Wachstum der Ökonomie seit den 50er Jahren. Die dabei zugrundegelegte Produktionsfunktion des Sozialprodukts hängt nur von der Arbeit, dem Kapital und dem technischen Fortschritt, nicht aber vom Material der Natur, aus dem produziert wird, und nicht von der Energie der Natur, mit der produziert wird, ab. Die Wirtschaft ist nach dieser Formel nur vom Menschen abhängig und in keiner Weise von der Natur.
    Gegenüber diesem Wachstumsfetischismus geht qualitatives Wachstum von der Einsicht aus, daß der Mensch dank seiner Kreativität die Grenzen, die ihm die Natur setzt, zwar erweitern, aber nicht sprengen kann. Bei der Produktionsfunktion qualitativen Wachstums stellt sich die Aufgabe, in der Wirtschaft ein geeignetes Gleichgewicht für das Verhältnis von Natur und technischem Fortschritt zu finden. Entscheidend mit Blick auf Luft und Klima wäre es, Wachstum an Lebensqualität und z.B. Wachstum an Energieverbrauch zu entkoppeln, d.h. umweltschädigende durch energie-und rohstoffsparende sowie emissionsarme Produkte zu ersetzen, umweltfreundliche Technologie zu entwickeln und in diesem Sinn effektiver als bisher zu produzieren. An die Stelle von einseitigen Produktionsabläufen ohne Rücksicht auf die Produktionsressourcen und Produktionsabfälle müßten Produktionsabläufe treten, in denen Abfallstoffe des einen Produktionsprozesses weitgehend als Ausgangsstoffe für weitere Produktionsprozesse verwendetwerden. Ein solches industrielles Ökosystem würde seine Materialien ebensowenig erschöpfen wie ein biologisches: Dort liefern pflanzliche Syntheseproduktionen die Nahrung für die Pflanzenfresser, die wiederum den Ausgangspunkt einer Nahrungskette von Fleischfressern bilden, deren Ausscheidungen schließlich weitere Pflanzengenerationen ernähren. Hier taucht möglicherweise dieselbe Stahlmenge nach gewisser Zeit als Blechdose auf, dann als Automobil, schließlich als Stahlträger eines Hauses.
    Die Herstellungsverfahren verwandeln nur die Form und Zusammensetzung der zirkulierenden Materialbestände. Solche Recyclingverfahren verbrauchen zwar immer noch Energie, erzeugen Abfälle und schädliche Nebenprodukte, allerdings auf niedrigerem Niveau als bisher. Technisch müßte dazu der Produktionsprozeß mit der Zeit umgestellt werden, damit die erzeugten Abfälle entweder direkt oder über Aufbereitungsanlagen weitgehend wiederzugeführt werden. Das gilt z.B. für die Automobil- und die Kunststoffindustrie ebenso wie z.B. für die Verpackungsindustrie der Lebensmittelbranche. Obwohl es bereits einzelne Recyclingverfahren gibt (z.B. Eisenindustrie) und einige im Aufbau begriffen sind (z.B. PVC-verarbeitende chemische Industrie), ist die gegenwärtige Technik den Anforderungen eines sich selbst

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