Becky Brown - Versprich, Nach Mir Zu Suchen!
hatte, wie sollte sie sich dann von dem Vorwurf reinwaschen und einem ähnlich grausamen Tod entkommen, wie der über ihrem Kopf baumelnde Wanderprediger ihn erlitten hatte?
Tränen rannen über Beckys Gesicht, während die drei Männer am Feuer saßen, fröhlich bis tief in die Nacht hinein zechten und sich prächtig amüsierten, je länger sie dem Whisky des Predigers zusprachen. Und mehr als einmal wollte Marty von seinen beiden Gefährten wissen, warum sie bloß darauf verzichteten, mit ihr, Becky, ihren Spaß zu haben, wo sie doch schon so nachsichtig waren, sie nicht gleich mit Jeremiah Glenfield aufzuknüpfen. Sie konnte von Glück reden, dass Wesley und auch Cliff nichts davon hören wollten - zumindest jetzt noch nicht, wie Wesley einschränkend bemerkte. Und auch von Cliff fiel wieder der Spruch, dass aufgeschoben ja nicht aufgehoben sei.
Dem Stand des Mondes nach zu urteilen, musste es schon weit nach Mitternacht gewesen sein, als die Männer genug geredet und getrunken hatten. Sie ließen das Feuer niederbrennen, breiteten ihre Decken neben dem Planwagen aus und legten sich zum Schlafen nieder. Für eine kurze Weile hörte Becky noch Gemurmel und Geraune, dann senkte sich Stille über den Wiesengrund, die nur dann und wann kurz vom Schnauben und Scharren eines Pferdes unterbrochen wurde.
Lange glaubte Becky, in dieser Stellung und mit den Fesseln unmöglich Schlaf zu finden. Marty hatte den Strick, mit dem er sie an den Galgenbaum gebunden hatte, nicht nur mehrmals um ihre Körpermitte gewunden, sondern auch zweimal um ihren Hals, sodass ihr keine Möglichkeit blieb, sich zu bewegen und eine weniger unbequeme Stellung zu finden. Zudem hielten ihre Gedanken und Selbstvorwürfe, die sich ohnmächtig im Kreis drehten, sie wach. Doch irgendwann verlangte ihr erschöpfter Körper sein Recht und zog sie unwiderstehlich in einen unruhigen Schlaf, der mit grässlichen Albträumen bevölkert war.
In einem ihrer Träume überfiel sie die Panik, weil sich ihr Mund plötzlich nicht mehr öffnen ließ, sodass sie glaubte, keine Luft mehr zu bekommen und ersticken zu müssen, als hätte man sie unter Wasser gedrückt. Craig und Jason tauchten vor ihren Augen auf. Sie waren es, die sie zu ertränken versuchten. Sie wollte schreien, doch sie konnte nicht. Ihr Mund war wie zugeschnürt.
»Becky!… Becky, ich bin es!«, flüsterte ihr plötzlich eine Stimme ins Ohr.
Jäh erwachte sie aus dem Schlaf und warf ihren Kopf hin und her, um sich von dem Albtraum zu befreien, dem sie sich noch ausgeliefert fühlte.
»Halte still, um Gottes willen! Und gib bloß keinen Laut von dir, wenn du die Burschen nicht aufwecken willst!«, raunte ihr die Stimme wieder zu.
Sie riss die Augen auf und wurde sich nun bewusst, dass sie sich nicht unter dem Bann eines Albtraumes befand, sondern dass jemand ihr den Mund zuhielt. Und dieser jemand war Harvey!
Harvey?
Aber das war völlig unmöglich! Harvey war tausend oder mehr Meilen entfernt und ahnte nicht, was ihr widerfahren war. Es musste ein Albtraum sein! Ein ganz besonders intensiver, der sich wie die Wirklichkeit ausnahm und sie aufs Schrecklichste narrte.
Doch die Hand und die Stimme waren keine Einbildung. Es war tatsächlich Harvey, der hinter dem Baumstamm hervorkam und sich neben sie kauerte, ohne jedoch seine Hand von ihrem Mund zu nehmen.
»Ich weiß, du glaubst, einen Geist zu sehen oder so etwas Ähnliches!«, flüsterte er ihr zu, und im schwachen Mondlicht blitzte ein Messer in seiner Hand auf. »Aber ich bin es wirklich. Und nun reiß dich zusammen! Wir müssen so schnell wie möglich von hier verschwinden - und zwar ohne Lärm zu verursachen. Also halte dich ganz still. Ich werde dir gleich die Fesseln durchschneiden. Aber bevor ich das tue und die Hand von deinem Mund nehme, schließe zweimal kurz die Augen, damit ich weiß, dass du mich verstanden hast und vor Schreck und Verstörung nicht doch noch einen Schrei von dir gibst!«
Sie folgte seiner Aufforderung, fassungslos und noch immer zweifelnd, ob sie das alles nicht träumte. Und als Harvey seine Hand zurückzog, musste sie an sich halten, um in ihrer Verstörung nicht doch noch einen verräterischen Laut von sich zu geben.
»Wie... wie... wie um alles in der Welt bist du bloß…«, begann sie zu fragen.
»Nicht jetzt, Becky!«, fiel Harvey ihr leise ins Wort, steckte das Messer weg und zog sie mit der rechten Hand hoch, während er mit der linken eine Flinte aufhob, die sie erst jetzt bemerkte. »Ich
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