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Bedroht

Bedroht

Titel: Bedroht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Koppel
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schluckte.
    »Beeil dich«, sagte er. »Sie hält so lange die Luft an.«
    Er legte Hedda ganz fest eine Hand auf Nase und Mund. Anna war weniger als eine halbe Minute weg.
    »Hier«, sagte sie und warf Erik seine Hose zu.
    Sie fiel neben Erik auf den Boden. Er nahm seine Hand von Heddas Mund. Sie schnappte nach Luft und hustete röchelnd. Anna vermied es, ihre Tochter anzuschauen.
    »Zurück«, sagte Erik. »Zwei Schritte zurück, und zieh dich an.«
    Anna gehorchte. Sie zog Bluse und Hose an, die Kleider, die ihr Mann ihr keine Stunde zuvor ausgezogen hatte. Die ganze Zeit über sah sie Erik unverwandt an.
    »Jetzt bist du dran«, sagte sie, das Gewicht des Mörserstößels in ihrer Gesäßtasche spürend. »Beeil dich, sie können jeden Moment hier sein. Ich komme mit. Wir lassen Hedda hier.«
    »Mama …«
    »Du bleibst hier und kümmerst dich um Papa.«
    Erik sah sie misstrauisch an.
    »Versuch nicht, mich reinzulegen«, sagte er und drehte Hedda den Arm auf den Rücken.
    Diese jammerte vor Schmerzen.
    »Gesicht auf den Boden«, befahl er und zwang sie in die Knie.
    Er stellte dem Mädchen einen Fuß auf den Nacken und bückte sich nach seiner Jeans. Er richtete sich wieder auf, betrachtete Anna, hielt die Hose am Bund vor sich hin und machte Anstalten, sie anzuziehen.
    »Bleib liegen«, sagte er und nahm den Fuß von Heddas Nacken.
    Er schob den einen Fuß in die Jeans und wechselte dann die Seite.
    »Wir werden es uns richtig schön machen«, sagte er und lächelte Anna an. »Sobald das hier vergessen ist, können wir nach vorne blicken. Alles Bisherige waren nur Prüfungen in Erwartung des Eigentlichen. Jetzt fängt unser Leben an.«
    Er hob den anderen Fuß und schob ihn in das Hosenbein.
    Dieser kurze Augenblick der Instabilität war Annas Chance. Sie warf sich nach vorne, drei rasche Schritte, den Mörserstößel hielt sie wie einen Speer vor sich. Er traf ihn an der Stirn und brachte ihn ins Wanken. Dann rutschte Erik an der Wand zu Boden und blieb unnatürlich verrenkt und mit einem höhnischen Lächeln sitzen.
    Anna wandte sich an ihre Tochter.
    »Hol Hilfe, Hedda«, sagte sie. »Lauf zu den Nachbarn.«
    Hedda starrte mit leerem Blick vor sich hin.
    »Jetzt«, schrie Anna.
    Hedda zuckte zusammen, erhob sich und entfernte sich rückwärts von ihrer Mutter und dem reglosen Erik. Anna hörte, wie sie die Haustür öffnete. Dann setzte sie sich rittlings auf Erik und streckte die Hand nach dem Stößel aus. Sie fasste ihn mit beiden Händen und hob ihn über den Kopf.
    »Du …«, sagte sie und schlug ihm mit voller Wucht auf die Nase.
    Knorpel und Knochen splitterten, Blut spritzte aus der zertrümmerten Nase und lief über sein Gesicht. Anna hob den Stößel erneut. Sie musste all ihre Kraft zusammennehmen.
    »… trampelst nicht …«
    Der zweite Schlag traf unter dem Auge und zersplitterte das Wangenbein. Anna hob den Stößel erneut. Jetzt fiel es ihr schon leichter.
    »… auf meiner Tochter herum.«
    Der dritte Schlag spaltete die obere Zahnreihe.
    Eriks ehemals so schönes Gesicht hatte sich in eine blutige Fleischmasse verwandelt. Zähne und Knorpel waren zu sehen.
    »Für meine Mutter«, sagte Anna und hob den Stößel ein letztes Mal, als sie von hinten gepackt und zurückgezogen wurde.
    Sie schaute zu ihrem Nachbarn hoch. Dieser ließ sie los und beugte sich über Erik. Er tastete vorsichtig den Hals ab, zog die Augenlider hoch, suchte vergebens nach einem Lebenszeichen. Anna atmete heftig, und der Nachbar wandte sich mit verzerrter Miene ab.
    Erik war tot. Es war vorbei, endlich vorbei.
    Anna stützte sich an der Wand ab und stand auf unsicheren Beinen auf. Hedda stand ein paar Meter von ihr entfernt und starrte sie mit aufgerissenen Augen an. Anna streckte die Arme aus, und Hedda wich zurück.
    Anna schaute auf ihre blutigen Hände. Hedda machte einige rasche Schritte nach vorne und umarmte ihre Mutter, drückte ihre Wange an ihren Bauch.

103
    Ein paar Jungs radeln auf dem Wendehammer hin und her. Anna öffnet die Tür, und sie fliehen erschrocken und aufgeregt. Sobald sie die Tür schließen würde, wären sie wieder da, wie kreischende, ein Stück Brot umkreisende Möwen.
    Sie spürt die Blicke der Mütter im Lebensmittelladen, hört sie hinter ihrem Rücken tuscheln. Sobald Anna sie ansieht, lesen sie interessiert die Etiketten der Waren.
    Betrunkene Männer drängen sich ihr auf, ihre Hände grapschen unter dem Tisch nach ihr, ihre fordernden Blicke sagen: Zier dich nicht, wir wissen

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