Beethoven: Der einsame Revolutionär. (German Edition)
ausführlich mit ihm beschäftigen müssen, beweist, dass sein Plan wunderbar aufgegangen ist.) Schindler behauptete, er sei von 1816 bis zu Beethovens Tod der Privatsekretär des großen Meisters gewesen. Dieses Amt wollte er ganz ohne Bezahlung ausgeübt haben, weshalb er Anspruch auf das selten verliehene Privileg erhob, sich «Ami de Beethoven» nennen zu dürfen.[ 4 ] Dass er für Beethoven Sekretärsarbeiten ausgeführt hat, trifft zu, wenn auch erwähnt werden muss, dass wichtigere Aufgaben von anderen erledigt wurden. Dass Beethoven ihn als Freund betrachtete, ist jedoch glatt gelogen. In Wirklichkeit bestand Schindlers Betätigung vor allem darin, Beethoven auf die Nerven zu gehen, und er wurde meistens kalt und bissig abgefertigt. So hat Beethoven ihn in seinen Briefen nie einer Anrede oder eines höflichen Grußes gewürdigt, was bei ihm sonst nicht vorkam; der Ton gleicht eher einem Anschnauzen. Und auch an seiner Tafel wurde Schindler nur selten zugelassen. All dies hatte aber eine paradoxe Folge: Je öfter Schindler abgewiesen wurde, desto stärker wurde sein Verlangen danach, in Beethovens Leben eine Rolle zu spielen.
In den letzten Lebenswochen des Komponisten ging dieser Wunsch endlich in Erfüllung: Zusammen mit Stephan von Breuning, Beethovens treuem Freund aus Bonn, durfte er ihm am Krankenbett Gesellschaft leisten. Er wird das Privileg, den elenden Todeskampf eines der bedeutendsten Menschen seiner Zeit mitzuerleben, vermutlich genossen haben. Aber damit nicht genug: Er behauptete, Beethoven habe wenige Tage vor seinem Tod ihm und Breuning die heilige Pflicht auferlegt, über sein geistiges Vermächtnis und seinen Ruf zu wachen. Vor allem sollten sie einen geeigneten Biographen finden; Beethoven habe sicherstellen wollen, dass sein Name und seine Ideen nicht von den zahlreichen Feinden beschmutzt würden, die daran ein Interesse hätten. Deshalb hätten Breuning und er wichtige Dokumente an sich nehmen dürfen: Breuning die eher geschäftlichen Papiere und er selbst alle übrigen. Doch wenige Wochen nach Beethoven starb auch Breuning und damit der einzige Zeuge, der diese für Schindler so vorteilhafte Verfügung hätte bestätigen können. Von dem Verdacht, dass er die heilige Pflicht und die dazu gehörigen Doku mente eher erschlichen und gestohlen hat, sollte sich Schindler nie mehr befreien können.
Im September 1827 bat Schindler den deutschen Musikkritiker Friedrich Rochlitz, an einer geplanten ersten Beethoven-Biographie als Herausgeber mitzuwirken. Angeblich hatte der Meister dies ausdrücklich gewünscht, was aber nicht sehr wahrscheinlich ist. Rochlitz lehnte ab, wobei er gesundheitliche Gründe vorschob. Der Koblenzer Arzt Franz Gerhard Wegeler, Beethovens Jugendfreund, sollte Material für den ersten Teil der Biographie liefern, brach die Zusammenarbeit jedoch nach einiger Zeit ab, als er merkte, dass Schindlers Vorhaben keine Fortschritte machte. Wegeler vermutete, dass Schindler in Wirklichkeit andere Pläne hatte, und begann 1834 ein eigenes Biographie-Projekt, an dem fast von Anfang an auch der Beethoven-Schüler Ferdinand Ries mitarbeitete. Kurz zuvor hatte Schindler Ries gebeten, anstelle des verstorbenen Breuning einen Bericht über Beethovens frühe Wiener Jahre zu schreiben. Ries aber legte Wert darauf, auch die weniger gewinnenden Seiten des großen Künstlers darzustellen, und wollte mit einigen pikanten Anekdoten aufwarten. Damit stieß er auf den Widerstand Schindlers, der unbedingt sein angeblich an Beethovens Sterbebett gegebenes Versprechen einlösen und aus der Biographie eine Hagiographie machen wollte. Am Ende stand Schindler mit seinem Projekt allein da. Im Grunde war ihm das ganz recht, weil er nun für sich beanspruchen konnte, die einzige vom Komponisten autorisierte Lebensbeschreibung in die Welt zu setzen – was unmöglich im Sinne Beethovens gewesen sein kann.
Eigentlich war Schindler gar nicht fähig, ein solches Vorhaben zu verwirklichen. Er hatte Beethoven nicht sehr lange gekannt und wusste von den meisten Geschehnissen nur aus zweiter Hand. Außerdem besaß er nicht die nötige musikalische Kompetenz, um sich über Beethovens Kompositionen äußern zu können, denn seine Behauptung, er habe von ihm Unterricht erhalten, ist nachweislich falsch. Als im Jahr 1840 seine Biographie von Lud wig van Beethoven erschien, fiel die Kritik entsprechend hart aus. Allgemein zog man Schindlers Autorität in Zweifel, was ihn tief verletzte, zumal es ihm vor allem
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