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Beethoven: Der einsame Revolutionär. (German Edition)

Beethoven: Der einsame Revolutionär. (German Edition)

Titel: Beethoven: Der einsame Revolutionär. (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Caeyers
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Gilde. Ein drittes, die Molenkarre, wird ebenfalls bald in seinen Besitz übergehen. Mit seiner Vorliebe für den Immobilienerwerb tritt er in die Fußstapfen seines Urgroßvaters Hendrik, der hundert Jahre vor ihm sehr aktiv darin war, wenn auch auf niedrigerem Niveau: Hendrik hatte es zum bäuerlichen Großgrundbesitzer in Boortmeerbeek gebracht, einem Dorf zwischen Mecheln und Löwen.
    Am meisten verdient Michiel van Beethoven allerdings mit dem mehr oder weniger legalen An- und Verkauf alter Möbel und Gemälde, den er weiter ausbauen möchte. Doch das reicht ihm noch nicht: Er plant, in den lukrativen Handel mit Mechelner Spitze einzusteigen, obwohl er um die hohen Risiken weiß. Um damit wirklich gut zu verdienen, muss man nämlich billigere Spitze aus Brüssel und Kortrijk einführen, was hohe Investitionen und Geschäfte mit unsicheren Wechseln erfordert. Aber er ist entschlossen, diese Risiken einzugehen; er will aufsteigen, will endlich zu den vermögenden Bürgern der Stadt gehören.
    Außerdem hat Michiel van Beethoven noch eine alte Rechnung mit der Geschichte zu begleichen, und das treibt ihn an. Vor mehr als hundert Jahren wurde seine Ururgroßmutter Josyne van Beethoven auf dem Grote Markt in Brüssel verbrannt, weil Nachbarn sie der Hexerei bezichtigt hatten. Sie war eine außergewöhnliche Frau, emanzipiert, selbstbewusst, idealistisch und von einer erstaunlichen geistigen Offenheit und Selbständigkeit, mit der sie sich in einer Zeit, in der Glaube, Leichtgläubigkeit und Aberglaube eng zusammengehörten, keine Freunde machte. Paradoxerweise wurde sie gerade wegen dieser Eigenschaften verdächtigt, einen Pakt mit dem Teufel geschlossen zu haben, und eine kleine Intrige neidischer Dorfbewohner reichte aus, um die nötigen «Beweise» zusammenzutragen. Der mörderische Cocktail aus Ränke, übler Nachrede und Klatsch tat seine Wirkung. Josyne van Beethoven wurde verhaftet; nach anfänglichem Leugnen, das man nur als weiteren Beleg für ihr Bündnis mit dem Teufel auffasste, wurde sie durch schwere Folter zum «Geständnis» gezwungen und öffentlich hingerichtet. Zunächst sah es so aus, als würden sämtliche Besitztümer ihres fassungslosen und verzweifelten Ehemanns beschlagnahmt werden, aber dank einer Kombination aus diplomatischem Geschick und Beethoven’scher Dickköpfigkeit wurde wenigstens das ökonomische Fiasko gerade noch abgewendet.
    Diese traumatische Erfahrung hat sich unauslöschlich ins Gedächtnis der Beethovens gegraben und ihnen ein hartnäckiges Misstrauen gegenüber den Mitmenschen eingeimpft. Andererseits ist die Erinnerung daran auch eine Kraftquelle. Ein Beethoven glaubt unerschütterlich an seine Überzeugungen und Ideale. Das ist er der Stammmutter und Märtyrerin Josyne schuldig.
    In diesem Geist hat Michiel van Beethoven auch seine beiden Kinder erzogen. Der ältere Sohn Cornelius weckt große Erwartungen. Er ist vernünftig und pflichtbewusst, hat eine natürliche Begabung für alles Geschäftliche und wird mit Sicherheit seinen Weg machen. Der jüngere, Louis, ist der Außenseiter der Familie. Als Sechsjähriger wurde er wegen seiner schönen Stimme in die Chorknabenschule Het Koralen Huis an der Sankt-Rombouts-Kathedrale in Mecheln aufgenommen. Nach dem Stimmbruch seines Sohnes hat Michiel den Organisten der Kathedrale, Antoine Colfs, als Privatlehrer engagiert, damit Louis seine Fertigkeiten im Orgelspiel und Basso Continuo vervollkommnen kann. Denn eins steht fest: Wenn er Musiker werden will, muss er auch Ehrgeiz haben. Mit einer Organistenstelle an der erstbesten Pfarrkirche darf er sich nicht zufriedengeben.
    *
    Wien, Donnerstag, 29.März 1827. Ludwig van Beethoven ist vor drei Tagen gestorben; heute wird er beerdigt. Weil man mit großem Andrang auch von außerhalb rechnet, ist die Feierlichkeit auf den Nachmittag verschoben worden. Die Wirklichkeit übertrifft sämtliche Erwartungen. Trotz der Kälte – an manchen Stellen liegt noch Schnee – sind schätzungsweise zwanzigtausend Menschen von vielerlei Rang und Stand in die Alservorstadt gekommen, denn dort ist im Innenhof des Schwarzspanierhauses, am Glacis vor dem Schottentor, der Sarg aufgestellt. Am Eingang herrscht ein solches Gedränge, dass Polizisten für Ordnung sorgen müssen. Vier Posaunisten und sechzehn Sänger führen eine für diesen Anlass geschriebene Bearbeitung des Equale a quatro Tromboni (WoO 30) auf, das Beethoven 1812 in Linz für den Allerseelentag komponiert hatte. Darauf folgt der

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