Befehl aus dem Jenseits (German Edition)
Umwelt zu akzeptieren. Er wußte jetzt, daß er umlernen mußte, und zwar schnell. Er durfte nicht mehr in den alten Klischees denken.
Der Coater ging ihm nicht aus dem Kopf. Nie zuvor hatte er ein derartiges Wesen gesehen. Und doch war es automatisch böse für ihn gewesen.
Dr. Roby Dumont überlegte, warum das so war. Er spürte, daß die Beantwortung dieser Frage viel wichtiger war als der langsame Untergang der Insel. Instinktiv ahnte er, daß die Antwort eine Art Schlüssel für das Geheimnis seines augenblicklichen Zustands darstellte. Er hatte nicht mehr viel Zeit. Und doch versuchte er, mit aller Konzentration die Lösung zu finden.
Sein naturwissenschaftlich geschulter Geist und die in der Royal Air Force eingedrillte Fähigkeit, schnelle Entschlüsse zu fassen, halfen ihm weiter.
Blitzartig begann er, sein Problem zu analysieren. Er ließ sich auf den Stoffsack nieder, stützte die Ellenbogen auf die angewinkelten Knie und legte den Kopf in die geöffneten Hände. Er begann:
Wer?
»Dr. Roby Dumont, Engländer, 30 Jahre, Naturwissenschaftler und ausgebildeter RAF-Pilot ohne feste Anstellung.«
Was?
»Allein und ohne präzise Vorstellungen augenblicklich darum bemüht, logische Bezugssysteme zu finden.«
Wo?
»Subjektiv auf einer winzigen Insel in einem graugrünen Meer, tiefhängende Wolken, eine Welt mit vermutlich mehr als einer Sonne, vulkanisch, mit unbekannten Lebewesen. Objektiv nur vage Vermutungen.«
Warum?
»Keine Antwort.«
Wie?
»Diagnose vermutlich unbedeutend, die Vorgeschichte dagegen reichlich seltsam. Beginn der Ereignisse durch eine schriftliche, wahrscheinlich symbolische Ankündigung.« Wann?
»Subjektiv etwa dreißig Jahre nach der Geburt. Objektiv vermutlich später, da die Antwort auf die dritte Frage nach dem Wo einen unbekannten Zeitrahmen ergibt.« Zusammenfassung?
»Hauptfrage bleibt Warum? Wo und Was sind von der Hauptfrage abhängig. Erster Ansatzpunkt für weitere analytische Überlegungen ist die versteckte Übereinstimmung in drei Fragen, herausgelöst also das Problem des dreißigsten Geburtstages ...«
Dr. Roby Dumont schüttelte den Kopf. So kam er nicht weiter. Er konnte nicht von seiner Person ausgehend auf eine Entschlüsselung der gegenwärtigen Situation hoffen. Außerdem blieb ihm keine Zeit mehr für weitere Überlegungen. Die Wellen berührten ihn bereits. Sie überspülten die zu einem Nichts zusammengeschrumpfte Insel.
In wenigen Minuten würde er schwimmen müssen.
Er hatte keine Angst mehr. Langsam gewann er die Überzeugung, doch nicht völlig hilflos in diese Sache hineingeraten zu sein. Doch dafür hatte er erst den Coater töten müssen, jenes Wesen, das ihm eine banale, lächerliche Hilfe hatte bringen wollen ...
Das konnte kein Zufall sein!
Er mußte aufpassen, durfte sich auf keinen Fall erneut von ersten Emotionen in die Irre leiten lassen.
Seine Hände bewegten die Wellen. Es war soweit. Noch hatten seine Beine einen Halt, doch dann verlor er unerwartet schnell den Boden unter den Füßen. Das Wasser war kühl und schmeckte bitter. Vorsichtig rechnete er aus, wieviel Zeit er im günstigsten Fall noch hatte. Eine Stunde?
Wenn er seine Kräfte schonte, kam er vielleicht auf zwei oder drei Stunden. Sekundenlang dachte er an Meereswesen. Er verbannte diesen Gedanken tief in sein Unterbewußtsein. Nur keine neue Angst. Das war gefährlicher als der Verlust der Körperkräfte. Wenn er sich jetzt selbst nervös machte, war er verloren. Dann hielt er es keine halbe Stunde aus ...
Er schwamm mit langen, ruhigen Zügen. Auf diese Weise hatte er genügend Zeit, sein Problem noch einmal von Anfang an zu überdenken. Er machte sich nichts vor. Wenn er keine Lösung fand, war es endgültig aus mit ihm. Er erinnerte sich, daß er früher vor Feuer viel mehr Angst gehabt hatte als vor Wasser. Doch dann wurde ihm klar, daß er niemals wirklich gedacht und gelebt hatte. Dreißig Jahre lang hatte er die Denkformeln und Vorurteile seiner Umwelt in sich aufgenommen.
Assoziationsfetzen zogen durch sein Hirn. Er drehte sich auf den Rücken und ließ sich treiben. Die Wellen waren flach und ungefährlich.
Langsam verdunkelte sich das Firmament. Die Wolken zogen jetzt tiefer über den Himmel. Automatisch dachte Roby Dumont an den Begriff Nacht.
Doch diesmal wußte er, wie falsch diese vorschnelle Definition war. Für die Erde war sie vielleicht richtig. Er jedoch mußte sich endlich daran gewöhnen, alles um sich herum neu zu bewerten. Nur so konnte er
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