Befehl von oben
Und das sprach für sich. Im Laufe der Jahre hatte er viele Leute zu motivieren gehabt, und er wußte, wie man das tat, aber das jetzt war eine Zeit, da Schweigen die stärkste Äußerung war. Er sah sie nur an und wartete. Er wußte, daß seine Augen viel lauter sprachen, als jede Stimme es je vermocht hätte.
»Das gefällt mir nicht«, sagte schließlich einer von ihnen. Kein einziger Ausdruck änderte sich. Derjenige, der sprach, bestätigte nur, was alle dachten, und erwies sich damit als Schwächster der Gruppe.
»Wie sollen wir wissen, daß wir Ihrem Herrn trauen können?« fragte der Chef der Garde.
»Er gibt Ihnen sein Wort im Namen Gottes«, erwiderte Badrayn und setzte sein Glas ab. »Wenn Sie möchten, kann eine Delegation von Ihnen zu ihm hinfliegen. Ich würde dann hier als Ihre Geisel verbleiben.
Und wenn Sie das wünschen, dann muß es schnell geschehen.«
Das wußten sie alle ebenfalls. Das, was sie befürchteten, könnte gut vor ihrer möglichen Rückkehr oder auch danach geschehen. Es folgte eine neue Coda des Schweigens. Sie nippten kaum noch an ihren Drinks.
Badrayn konnte in ihren Gesichtern lesen. Sie alle wollten, daß jemand anders einen Standpunkt bezog, dann könnten sie dem Standpunkt zustimmen oder ihn diskutieren, und schließlich käme die Gruppe zu einer kollektiven Position, an die sich vermutlich alle halten würden; es könnte wohl eine Splittergruppe von zwei, drei geben, die einen alternativen Handlungsverlauf ins Auge faßten. Das hing davon ab, wer von ihnen sein Leben in die Waagschale warf und es gegen eine unbekannte Zukunft setzte. Er wartete vergeblich darauf, daß das einer tat. Schließlich sprach einer von ihnen.
»Ich habe erst spät geheiratet«, sagte der Chef der Luftwaffe. Als junger Mann hatte er das Leben eines Jägerpiloten geführt – am Boden, wenn nicht direkt in der Luft. »Ich habe kleine Kinder.« Er hielt inne und sah in die Runde. »Ich glaube, wir alle kennen den möglichen – den wahrscheinlichen – Ausgang für unsere Familien, wenn die Dinge sich … ungünstig entwickeln.« Das war ein ehrenhafter Zug, dachte Badrayn.
Sie durften nicht feige sein. Immerhin waren sie ja Soldaten.
Daryaeis Versprechen im Namen Gottes war für sie nicht so überzeugend. Es war schon sehr lange her, daß einer von ihnen aus einem anderen Grund in eine Moschee gegangen war, als sich dort in vorgetäuschter Ergebung fotografieren zu lassen, und wenn das bei ihrem Feind auch ganz anders war, das Vertrauen in die Religion eines anderen beginnt bei einem selbst im Herzen.
»Ich nehme an, Finanzen sind hier keine Frage«, sagte Badrayn, sowohl um sich davon zu vergewissern, als auch um sie dazu zu bringen, die Frage selbst zu bedenken. Ein paar Köpfe wandten sich ihm zu mit einem Ausdruck im Gesicht, der an Belustigung grenzte, und damit war die Frage beantwortet. Obgleich offizielle irakische Konten seit langem eingefroren waren, gab es andere solche Konten, die es nicht waren.
Jeder dieser Männer hier, war Badrayn sich sicher, hatte persönlichen Zugang zu irgendeiner harten Währung, vermutlich Dollar oder Pfund, und jetzt war nicht die Zeit, sich darüber Gedanken zu machen, wem das Geld tatsächlich gehörte.
Die nächste Frage war, wohin könnten sie gehen und wie könnten sie sicher dahin gelangen? Badrayn sah es ihren Gesichtern an, und doch konnte er im Augenblick nichts tun. Die Ironie der Situation bestand darin, daß der Feind, dessen Wort sie mißtrauten, sich nichts mehr wünschte, als ihre Furcht zu zerstreuen und sein Wort zu halten. Aber Ali kannte ihn als außergewöhnlich geduldigen Menschen. Andernfalls wäre er jetzt gar nicht hier.
»Sie sind sich sicher?«
»Die Situation ist nahezu ideal«, sagte Daryaeis Besucher zu ihm und erklärte es ihm näher.
Selbst für einen religiösen Mann, der an den Willen Gottes glaubt, war das Zusammentreffen der Ereignisse einfach zu gut, um wahr zu sein, und doch war es das – oder erschien zumindest so.
»Und?«
»Und wir gehen genau nach Plan vor.«
»Ausgezeichnet.« Doch das war es nicht. Daryaei hätte die Sachen viel lieber der Reihe nach abgehandelt, um so seinen ausgezeichneten Verstand besser auf die drei sich entwickelnden Situationen einzeln konzentrieren zu können, aber das war nicht immer möglich, und vielleicht war das ein Zeichen. Wie auch immer, er hatte keine andere Wahl.
Was für ein seltsames Gefühl es war, tatsächlich von Ereignissen gefangen zu sein, die sich aus
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