Befehl von oben
zum Ersticken brachte.
Dem Piloten, normalerweise ein an Schimpfworten unerschöpflicher Mann, waren die Flüche ausgegangen, und er war müde geworden, Allah darum zu bitten, diese abscheulichen kleinen Kreaturen vom Antlitz der Erde zu tilgen. Im Zoo hätte er vielleicht auf diese langschwänzigen Geschöpfe gezeigt, und seine Zwillingssöhne hätten gelacht und ihnen vielleicht ein paar Erdnüsse zugeworfen. Nun nicht mehr. Der Pilot langte nach der Sauerstoffmaske für Notfälle und schaltete die Zufuhr ein. Am liebsten hätte er die Laderaumtüren aufgesprengt, die ganze Luft aus dem Flugzeug gepustet und sich damit der Affen und des schrecklichen Gestanks entledigt. Er hätte sich besser gefühlt, hätte er vom Bösen, das ihnen bevorstand, gewußt.
*
Badrayn traf sie in einem Nachrichtenbunker wieder. Der einzige Grund, daß er noch stand, war, daß er sich unter einem vorgetäuschten Industriegebäude befand – einer Buchbinderei, in der tatsächlich ein paar Bücher hergestellt wurden. Dieser und eine Handvoll anderer hatten den Krieg mit Amerika unbeschadet überstanden, weil der amerikanische Nachrichtendienst sich hatte täuschen lassen. Zwei ›intelligente‹ Bomben nahmen das Gebäude genau gegenüber aufs Korn. Man brauchte nur die Krater zu sehen, wo die Amerikaner diesen Bau vermutet hatten. Darin war eine Lehre verborgen, sagte sich Badrayn. Man mußte es sehen, um es zu glauben; es im Fernsehen zu sehen oder davon zu hören war längst nicht dasselbe. Über seinem Kopf waren fünf Meter Stahlbeton. Es war solide, gebaut unter der Aufsicht gut bezahlter deutscher Ingenieure. Man konnte noch die Abdrücke der Holzvertäfelung sehen, die den feuchten Beton bis zum Abbinden am Platz gehalten hatte. Nicht der kleinste Riß zu sehen – und doch, der einzige Grund, wieso das alles hier noch stand, war der, daß die Amerikaner die falsche Straßenseite bombardiert hatten. So war die Gewalt moderner Waffen, und obgleich Ali Badrayn sein ganzes Leben lang in der Welt von Waffen und Kampf existiert hatte, war dies das erstemal, daß er die Tatsache richtig verstand.
Sie waren gute Gastgeber. Ein Oberst hatte sich um ihn zu kümmern.
Zwei Sergeanten brachten Essen und Drinks. Im Fernsehen sah er sich das Begräbnis an. Es war voraussagbar wie eine dieser amerikanischen Polizeiserien. Die Iraker waren, wie die meisten Völker dieser Region, leidenschaftliche Menschen, zumal, wenn sie in großer Zahl versammelt und aufgefordert waren, die richtigen Geräusche zu machen. Sie ließen sich leicht lenken und leiten, und Badrayn wußte, es kam nicht immer drauf an, von wem. Übrigens, wieviel davon war wirklich echt?
Die Informanten waren immer noch auf Posten und merkten sich, wer nicht jubelte und trauerte. Der Sicherheitsapparat, der den Tod des Präsidenten nicht hatte verhindern können, arbeitete noch, und jeder wußte das. Und darum war von den Emotionen, die so ungehemmt über den Bildschirm und über die breiten Plätze geflossen waren, nicht viel echt.
Er kicherte in sich hinein.
Sie kamen einzeln, damit nicht zwei oder eine kleine Gruppe zusammen unterwegs Dinge diskutierten, die die Versammlung als Ganzes hören sollte. Ein hübsches Schränkchen wurde geöffnet, Flaschen und Gläser kamen zum Vorschein, und die Gesetze des Islam wurden verletzt. Badrayn hatte nichts dagegen. Er nahm ein Glas Wodka. Geschmack daran hatte er zwanzig Jahre zuvor in Moskau gefunden, damals die Hauptstadt einer inzwischen untergegangenen Welt.
Für so mächtige Männer waren sie erstaunlich still, um so mehr, da dies der Leichenschmaus für einen Mann war, den sie nie geliebt hatten.
Sie nippten an ihren Drinks – meistens Scotch. Im Fernsehen, das noch eingeschaltet war, zeigte der lokale Sender die Wiederholung des Leichenzuges, und die Ansage pries die unvergleichlichen Tugenden des gefallenen Führers. Die Generäle schauten hin und hörten zu, doch der Ausdruck in ihren Gesichtern war nicht Trauer, sondern Furcht. Ihre Welt hatte ein Ende gefunden. Die Rufe der Leute und die Worte des Nachrichtensprechers rührten sie nicht. Sie alle wußte es besser.
Der letzte von ihnen war eingetroffen. Er war der Geheimdienstchef, den Badrayn schon früher am Tage getroffen hatte, vom Kurzbesuch in seinem Hauptquartier erfrischt. Die anderen sahen ihn an, und er antwortete, ohne die Notwendigkeit, erst ihre Frage zu hören.
»Alles ist ruhig, meine Freunde.«
Badrayn hätte sprechen können, aber er tat es nicht.
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