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Befehl von oben

Befehl von oben

Titel: Befehl von oben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Clancy
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anstarrten …
    »Zum Oval Office. Ich dachte …«
    »Nein. Lagebesprechungsraum.« Ryan blieb abrupt stehen, sich immer noch abtrocknend. »Für jenen Raum bin ich noch nicht bereit, okay?«
    »Gewiß, Mr. President.« Am Ende des breiten Korridors wandten sie sich nach links in ein kleines Foyer, und dann nach rechts, wieder ins Freie, denn vom White House zum Westflügel gab es keinen Korridor.
    Darum also hatte ihm noch niemand diesen Mantel abgenommen, wurde Jack klar.
    »Kaffee«, verlangte er. Wenigstens die Küche hier würde gut sein. Die Messe des White House wurde von Navy-Stewards geführt, und seine erste präsidiale Tasse Kaffee wurde ihm aus einer Silberkanne in eine prachtvolle Tasse eingeschenkt von einem Matrosen, dessen Lächeln ebenso professionell war wie echt und den, wie die anderen auch, die Neugier auf seinen neuen Boß gepackt hatte. Ryan kam sich vor wie ein Tier im Zoo. Interessant, faszinierend – und wie würde er sich wohl mit dem neuen Käfig abfinden?
    Der Raum war bekannt, der Platz neu. Der Präsident saß in der Mitte vom Tisch, so daß sich Berater zu beiden Seiten versammeln konnten.
    Ryan ging zu diesem Platz und setzte sich halbwegs natürlich. Schließlich war's nur ein Stuhl. Die sogenannten Insignien der Macht waren bloß Gegenstände, die Macht selbst nur eine Illusion, denn begleitet wurde sie stets von noch größeren Verpflichtungen. Erstere konnte man sehen und ausüben, letztere konnte man nur spüren. Jack nippte an seinem Kaffee und warf einen Blick in die Runde. Auf der Uhr an der Wand war es 23.14 Uhr. Er war Präsident seit … wie lange? Neunzig Minuten? Etwa die Zeit, die er benötigte, von seinem Zuhause zu … seinem neuen Zuhause … zu fahren – je nach Verkehr.
    »Wo ist Arnie?«
    »Hier, Mr. President«, sagte Arnold van Damm, während er gerade ins Zimmer trat. Er war bereits Stabschef von zwei Präsidenten gewesen und stellte gerade einen ewigen Rekord auf als Stabschef für einen dritten. Sein erster Präsident war in Schande zurückgetreten. Sein zweiter war tot. Würde der dritte der Glücksbringer sein – oder sind aller bösen Dinge stets drei? Ryans Augen durchbohrten ihn schier mit der Frage, die er nicht offen aussprechen konnte: Was mach' ich jetzt bloß?
    »Gutes Statement im Fernsehen.«
    Der Stabschef setzte sich an die andere Seite des Tisches. Sein Auftreten war wie immer ruhig und kompetent, und Ryan dachte nicht darüber nach, welches Maß an Beherrschung dies einem abverlangte, der noch mehr Freunde verloren hatte als Ryan selbst.
    »Ich weiß nicht einmal mehr, was zum Teufel ich überhaupt sagte«, erwiderte Jack und durchkämmte sein Hirn nach entflohener Erinnerung.
    »Für 'ne Stegreifrede ist das normal«, beruhigte ihn van Damm. »Es war jedenfalls ganz gut. Ich war ja immer der Meinung, Ihre Instinkte sind okay. Sie werden sie brauchen.«
    »Das Wichtigste?« fragte Jack. »Banken, Börsen, sämtliche Bundesbehörden bleiben geschlossen, sagen wir bis Ende der Woche, vielleicht länger. Für Roger und Anne müssen wir ein Staatsbegräbnis vorbereiten. Eine Woche Staatstrauer, Flaggen einen Monat auf Halbmast. Auch etliche Botschafter waren im Plenarsaal. Das bedeutet, zu allem anderen, tonnenweise diplomatische Haushaltsarbeit nennen wir das … ich weiß!« sagte Arnie und hob die Hand.
    »Sorry. Muß ja irgendwie heißen.«
    »Wer …«
    »Wir haben hier eine Protokollstelle, Jack.« Darauf wies van Damm ihn hin. »Die sitzen bereits in ihren Kabuffs und arbeiten dran. Wir haben hier ein Team von Redenschreibern, die bereiten Ihre Reden und offiziellen Verlautbarungen vor. Die Medienleute werden Sie sehen wollen – damit meine ich, Sie müssen sich in der Öffentlichkeit zeigen.
    Die Leute beruhigen. Sie müssen Vertrauen einflößen …«
    »Wann?«
    »Beim Frühstücksfernsehen spätestens, CNN und alle anderen Gesellschaften. Mir wär's ja am liebsten, wir würden in einer Stunde vor die Kamera gehen, aber das müssen wir nicht unbedingt. Wir können ja sagen, Sie sind beschäftigt. Bevor Sie auf Sendung gehen, müssen wir Sie instruieren, was Sie sagen können oder nicht. Den Reportern müssen wir klarmachen, was sie fragen dürfen und was nicht, und in so einem Fall werden die kooperieren. Rechnen Sie mal mit 'ner Woche netter Behandlung. Die Presse wird Ihnen keine längere Schonzeit geben.«
    »Und dann?« wollte Jack wissen.
    »Und dann sind Sie bei Gott der Präsident und müssen sich entsprechend

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