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Befehl von oben

Befehl von oben

Titel: Befehl von oben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Clancy
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Vorgänger, gut oder schlecht, von Historikern wohlwollend oder kritisch beurteilt, sahen ihn an …
    Ich bin Historiker, sagte sich Ryan. Habe einige Bücher geschrieben, die Handlungen anderer aus der Entfernung von Raum und von Zeit beurteilt. Warum sah der dies nicht? Weshalb tat er nicht das? Jetzt, zu spät, wußte er's besser. Jetzt war er hier, und von innen her sah's ganz anders aus. Von außen konnte man reinsehen, sich umschauen, all die vorbeiziehende Information sichten und analysieren, anhalten, wenn nötig, sogar zurückgehen, um alles besser zu verstehen, sich Zeit nehmen, bis alles perfekt war.
    Aber von innen war es überhaupt nicht mehr so. Hier kam alles wie ein Haufen Züge aus allen Richtungen zugleich angebraust, die alle den eigenen Zeitplan einhielten und einem für Manöver oder Reflexion wenig Zeit ließen. Und die Leute auf den Porträts waren meist hierhergelangt mit dem Luxus, den Aufstieg sich überlegt zu haben, mit dem Luxus der vertrauten Berater, des guten Willens. Diese Vorteile hatte er nicht. Den Historikern aber wäre das nur einen knappen Absatz wert, bevor sie gnadenlos analysierend weiterschrieben.
    Was immer er sagte oder tat, wußte Jack, es würde mit der perfekten Sehkraft des Rückblicks beschaut – und nicht erst ab jetzt. Leute würden seine Vergangenheit nach Informationen durchforsten über seinen Charakter, seinen Glauben, seine Taten, gut oder schlecht. Vom Augenblick an, als der Flieger aufs Capitol traf, war er Präsident, und man würde fortan jeden seiner Atemzüge im neuen und unbarmherzigen Licht betrachten. Sein tägliches Leben verlor die Privatsphäre, sogar im Tode würde er nicht vor der Musterung sicher sein, durch Menschen, die keine Ahnung hatte, wie es war, bloß in dieses zu groß geratene Heim/Büro/Museum hineinzugehen, und zu wissen, daß es einem in aller Ewigkeit ein Gefängnis sein würde. Mochten die Gitter auch unsichtbar sein, real waren sie trotzdem.
    So viele hatten nach diesem Job gegiert, nur um festzustellen, wie grausam und frustrierend er war. Das wußte Jack von eigenen Geschichtsstudien und von der Beobachtung dreier Inhaber des Oval Office aus kurzer Distanz. Die waren zumindest mit angeblich offenen Augen hergekommen; man konnte ihnen allenfalls vorwerfen, daß ihre Hirne nicht mit ihren Egos mithalten konnten. Wieviel schlimmer wäre es für einen, der es nie angestrebt hatte? Würden Historiker deshalb mit Ryan sanfter umgehen? Da mußte er ironisch lächeln. Nein, er übernahm dieses Haus in einem Moment, da sein Land in Not war, und wenn er dieser Not nicht entgegentrat, würde ihm künftig für immer der Makel des Versagers anhaften, obwohl er den Job nur durch Zufall erwarb.
    Für den Secret Service war dies ein Augenblick, in dem sie etwas ausspannen konnten. Die Glücklichen, dachte Ryan. Ihr Job war es, ihn und seine Familie zu schützen. Seiner war es jetzt, sie und die Ihren und Millionen anderer Menschen zu schützen.
    »Hier entlang, Mr. President.« Price bog nach links in den Korridor ab. Hier sah Ryan zum erstenmal die Leute vom White-House-Stab, die dastanden, um ihren neuen Schutzbefohlenen zu sehen, den Mann, dem sie von nun an nach besten Kräften zu Diensten sein würden. Dort standen sie alle und schauten, wußten nichts zu sagen. Ihre Augen musterten ihn, ohne ihre Gedanken preiszugeben; sicherlich aber würden sie bald ihre Eindrücke austauschen, in ihren Umkleiden und Kantinen.
    Jacks Schlips hing immer noch schief, auch hatte er noch den Feuerwehrmantel an. Das Wasser, das ihm ins Haar gesprüht, dort gefroren war und ihn unverdient grau aussehen ließ, taute jetzt langsam. Plötzlich verschwand einer vom Hauspersonal, tauchte gleich wieder auf, schlüpfte an den Sicherheitsleuten vorbei und reichte Ryan ein Handtuch.
    »Danke!« sagte Jack überrascht, blieb einen Augenblick stehen und begann, sich das Haar abzutrocknen. Und schon sah er vor sich einen Fotografen im Rückwärtsgang, Kamera im Anschlag, fleißig knipsend.
    Der Secret Service hinderte ihn nicht daran. Das, dachte Ryan, machte ihn zum Teil des Stabes; mußte der offizielle Fotograf des White House sein, dessen Aufgabe es war, alles auf Film zu bannen. Großartig, meine eigenen Leute spionieren mich aus! Doch jetzt war nicht die Zeit, dazwischenzufahren, oder?
    »Wohin gehen wir denn überhaupt, Andrea?« erkundigte sich Jack, als sie an immer weiteren Porträts von Präsidenten und First Ladies vorüberkamen, die ihn alle

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