Befehl von oben
Brothers, Barnum & Bailey Zirkus, nur daß die Leute sich meistens keine Sorgen machen brauchten, daß jemand auf den Mann am Trapez ein Attentat vorhatte.
Ryan las seine Rede durch, bemerkte Agentin Price. Die waren fast immer vor Reden aufgeregt – im allgemeinen nicht aus Lampenfieber, sondern aus Sorge darum, wie der Inhalt ankam. Bei dem Gedanken mußte Price lächeln. Ryan machte sich keine Sorgen um den Inhalt, sondern darum, daß er's verpatzen könnte. Nun, er würd's noch lernen, und zu seinem Glück schrieb Callie Weston – Nervensäge vom Dienst, die sie war – verdammt gute Reden.
»Frühstück?« fragte ein Steward, in Reiseflughöhe. Der Präsident schüttelte den Kopf.
»Keinen Hunger, danke.«
»Bringen Sie ihm Schinken mit Ei, Toast und Koffeinfreien«, ordnete van Damm an.
»Halten Sie nie eine Rede auf nüchternen Magen«, riet Callie. »Vertrauen Sie mir.«
»Und nicht zuviel echten Kaffee. Koffein kann einen zittrig machen.
Wenn ein Präsident eine Rede hält«, erklärte Arnie in seiner heutigen Morgenlektion, »ist er – Callie, helfen Sie mal?«
»Nichts Dramatisches bei diesen beiden. Sie sind der nette Nachbar, der mal vorbeischaut, weil der Typ nebenan Ihren Rat zu etwas braucht.
Freundlich. Vernünftig. Ruhig. ›Mensch, Fred, warum probierst du's nicht so?‹« erklärte Weston mit hochgezogenen Brauen.
»Ein netter Hausarzt, der einem sagt, sich bei fetthaltigem Essen etwas zurückzuhalten und vielleicht noch eine Runde Golf mehr einzulegen – Sport soll ja Spaß machen, so in der Art«, führte der Stabschef weiter aus. »Das machen Sie ja schon lange.«
»Nur mach' ich es gleich vor viertausend Leuten, nicht?« fragte Ryan.
»Und C-SPAN-Kameras, und es wird in den Abendnachrichten kommen …«
»CNN wird es auch live bringen, weil's Ihr erstes Auswärtsspiel ist«, fügte Callie hinzu. Kein Sinn dabei, den Mann anzulügen.
Mein Gott. Jack blickte auf seine Rede. »Sie haben recht, Arnie. Lieber Koffeinfreien.« Er blickte plötzlich auf. »Irgendwelche Raucher an Bord?«
Die Frage ließ den Air Force Steward aufhorchen. »Wollen Sie eine, Sir?«
Die Antwort kam etwas verschämt: »Ja.«
Sie gab ihm eine Virginia Slim und heizte lächelnd ein. Kam ja nicht jeden Tag vor, daß sie dem Obersten Befehlshaber einen so persönlichen Dienst leisten konnte. Ryan nahm einen Zug und sah auf.
»Wenn Sie das meiner Frau sagen, Sergeant …«
»Unser Geheimnis, Sir.« Sie entschwand zum Frühstückholen nach achtern; ihr Tag war gemacht.
*
Die Flüssigkeit hatte eine erschreckend scheußliche Farbe, Tiefrot mit einem Schuß Braun. Sie hatten den Vorgang mit winzigen Proben unterm Elektronenmikroskop überwacht. Die Affennieren, denen das infizierte Blut zugesetzt wurde, bestanden aus einzelnen hochspezialisierten Zellen, und aus welchem Grund auch immer, Ebola liebte diese Zellen wie ein Gourmand seine Schokoladenmousse. Der Anblick war faszinierend und entsetzlich zugleich. Die mikrongroßen Viruspartikel berührten die Zellen, wurden einverleibt – und begannen, sich in der warmen, üppigen Biosphäre zu vermehren. Es war wie in einem SF-Film, aber völlig real. Dieses Virus war wie alle anderen nicht im eigentlichen Sinne lebendig. Ohne Hilfe kam es nicht zurecht, jene Hilfe mußte vom Wirt kommen, und der beschwor seinen eigenen Tod mit hinauf, indem er dem Virus Lebensraum bot. Die Ebola-Stränge enthalten nur RNS. Damit Mitose stattfinden kann, sind aber RNS und DNS erforderlich. Die Nierenzellen hatten beides; und erst als die Virusstränge dazu Verbindung hatten, konnten sie sich vermehren. Dazu war Energie erforderlich, und die lieferten die Nierenzellen, die im Verlauf natürlich komplett zerstört wurden. Der Vermehrungsprozeß war mikrokosmisches Abbild vom Krankheitsverlauf in einer menschlichen Gemeinschaft. Er begann langsam, stieg dann exponentiell an, beschleunigte um so mehr, je schneller er wurde – 2-4-16-265-65.536 –, bis alle Nährstoffe aufgebraucht waren und nur noch Virusstränge übrigblieben. Sie gingen dann in einen Ruhezustand über und warteten auf ihre nächste Gelegenheit.
Die Leute hatten allerlei falsche Vorstellungen vom Krankheitserreger: Er würde auf seine Chance lauern; er würde gnadenlos töten; er würde sich seine Opfer aussuchen. Das war alles anthropomorpher Unsinn, wie Moudi und sein Kollege wußten. Er dachte nicht. Er tat nichts direkt Böses. Ebola vermehrte sich oder ruhte, mehr nicht. Aber wie ein Computer
Weitere Kostenlose Bücher