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Befehl von oben

Befehl von oben

Titel: Befehl von oben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Clancy
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Schlaf, aber das Einschlafen war für ihn nie ein Problem gewesen. In einer wirklich stillen Nacht, wenn der Wind richtig stand, konnte er die Flugzeuge hören, wenn sie ihre Turbinen zum Start auf volle Kraft stellten – ein fernes Geräusch, eher wie ein Wasserfall oder vielleicht wie ein Erdbeben. Irgendein grundlegendes Naturgeräusch, fern und verheißungsvoll. Und nun ertappte er sich dabei, wie er darauf lauschte, und wie er sich im Geiste fragte, ob er es hörte oder nicht.
    War er zu weit gegangen? Er war ein alter Mann in einem Land, wo so viele jung starben. Er dachte wieder an die Krankheiten seiner Jugend, deren wissenschaftliche Ursachen er erst später erfahren hatte, hauptsächlich schlechtes Wasser und mangelnde Hygiene, denn der Iran war fast immer ein rückständiges Land gewesen, trotz seiner langen Geschichte der Kultur und Macht. Dann war es wiederauferstanden durch Öl und den damit einhergehenden immensen Reichtum. Mohammed Risa Pehlewi, Schah-in-Schah – König der Könige bedeutete das –, hatte das Land allmählich aufgerichtet, aber den Fehler gemacht, zu schnell vorzugehen und sich zu viele Feinde zu machen. Bei der Befreiung der Bauern des Landes war er zu vielen auf die Füße getreten, hatte sich Leute zu Feinden gemacht, deren Macht geistlich war und von denen das gemeine Volk in einer durch Veränderung chaotisch gewordenen Zeit Ordnung erwartete. Dennoch hatte sich der Schah beinahe durchgesetzt, aber eben nicht ganz, und nicht ganz war der verdammendste Fluch, den die Welt für diejenigen bereithielt, die nach Größe strebten.
    Was dachten solche Menschen? So wie er selbst alt war, hatte der Schah das Alter, dazu den Krebs gefunden und mit ansehen müssen, wie sich sein Lebenswerk in wenigen Wochen in Luft auflöste, wie seine Getreuen in einer kurzen Gewaltorgie zur Begleichung alter Rechnungen hingerichtet wurden und wie bitter seine amerikanischen Freunde ihn verraten hatten. Hatte er geglaubt, er wäre zu weit gegangen – oder nicht weit genug? Daryaei wußte es nicht, und nun hätte er es gern gewußt, als er auf die fernen Geräusche eines Wasserfalls in der stillen persischen Nacht lauschte.
    Es war ein gravierender Fehler, zu rasch vorzugehen, was die Jungen lernten und Ältere wußten, aber nicht genug, schnell genug, weit genug, energisch genug vorzugehen, das vereitelte den nach Größe Strebenden ihre Ziele. Wie bitter mußte es sein, ohne den für klares Denken notwendigen Schlaf zu liegen und sich zu fragen und Vorwürfe zu machen wegen versäumter und ausgelassener Chancen.
    Vielleicht wußte er, was der Schah gedacht hatte, gestand sich Daryaei ein. Sein Land war wieder in Bewegung geraten. So isoliert es auch war, er wußte von den Anzeichen. Das zeigte sich an kaum merklichen Unterschieden bei der Kleidung, besonders bei Frauen. Nicht viel, nicht genug, daß seine wahren Gläubigen sie anprangern konnten, denn selbst die wahren Gläubigen hatten ihre Demut etwas gelockert, und es gab Grauzonen, in die Menschen vorstoßen konnten, um zu sehen, was passierte. Doch, die Leute glaubten noch an den Islam, aber eigentlich war der Heilige Koran doch nicht so streng, und ihr Land war reich, und um noch reicher zu werden, mußte es Geschäfte machen. Wie konnte es ein Vorbild des Glaubens sein, wenn es schließlich nicht noch reicher wurde? Die besten und aufgewecktesten jungen Iraner gingen ins Ausland, um sich zu bilden, denn sein Land verfügte nicht über die Schulen, die der ungläubige Westen bot – und größtenteils kehrten sie mit den Fähigkeiten zurück, die sein Land brauchte. Aber sie kamen auch mit anderen Dingen zurück, unsichtbaren, Zweifeln und Fragen und Erinnerungen an freizügiges Leben in einer anderen Gesellschaft, wo fleischliche Genüsse für die Schwachen verfügbar waren, und alle Menschen waren schwach. Was wäre, wenn alles, was Khomeini und er erreicht hatten, nur das verzögern würde, was der Schah in Gang gesetzt hatte? Die Leute, die in Reaktion auf Pehlewi zum Islam zurückgekehrt waren, trieb es nun wieder auf die vom Schah gebotene Verheißung der Freiheit zu. Wußten sie nicht? Sahen sie nicht? Sie konnten allen Glanz der Macht und alle Segnungen der Zivilisation haben und dennoch glaubenstreu blieben, immer noch den spirituellen Anker haben – ohne den alles nichts war.
    Aber um das alles zu bekommen, mußte sein Land mehr sein als derzeit, und so konnte er sich das nicht ganz nicht leisten. Daryaei mußte das bieten, was

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