Befehl von oben
hoben die Plastikrollos der Fenster, um sehen zu können, daß sie auf einem Flugfeld mit blauen Rollbahn-Lichtern, wie überall in der Welt, gelandet waren. Die hierher wollten, standen auf und taumelten in die türkische Nacht. Der Rest schob die Sitze für ein weiteres 45-Minuten-Nickerchen zurück, ehe die Maschine zum Weiterflug um 3.40 Uhr wieder abhob.
Lufthansa 601 flog ein zweistrahliger europäischer Airbus 310, in Größe und Kapazität der KLM-Boeing vergleichbar. Auch hier waren fünf Kuriere an Bord. Der Airbus verließ den Flugsteig um 2.55 Uhr zum Nonstopflug nach Frankfurt. Der Abflug verlief in allen Punkten routinemäßig.
*
»Das ist eine ganz schöne Geschichte, Arnie.«
»Yeah. Ich hab' die wichtigsten Punkte erst diese Woche erfahren.«
»Wie sicher bist du dir dessen?« fragte Holtzman.
»Da paßt alles zusammen.« Van Damm hob die Achseln. »Kann nicht sagen, daß mir's gefällt. Ich denke, wir hätten gewonnen, aber Herrgott, der Typ hat sie selbst vermasselt. Er hat die Präsidentenwahl in den Sand gesetzt, aber weißt du«, sagte er nachdenklich, »es dürfte der mutigste und großzügigste politische Akt des Jahrhunderts gewesen sein. Hab' nicht geglaubt, daß so was in ihm steckt.«
»Weiß es Fowler?«
»Ich hab's ihm nicht gesagt. Vielleicht sollte ich.«
»Augenblick. Weißt du noch, Liz Elliot hat mir 'ne Sache untergejubelt über Ryan und wie er …«
»Ja, das paßt alles da rein. Jack ist persönlich runtergeflogen, um diese Soldaten rauszuhauen. Der Typ im Heli neben ihm wurde erschossen, und Jack kümmert sich seitdem um die Familie. Liz hat dafür bezahlt, als die Bombe in Denver hochging.«
»Und Jack hat wirklich … weißt du, das ist die Story, die nie ganz herausgekommen ist. Fowler hat durchgedreht und fast eine Rakete auf Iran abgefeuert – das war also Ryan, nicht wahr? Er hat das Ganze aufgehalten.« Holtzman nahm doch noch einen Schluck von seinem Drink. »Wie?«
»Hat sich in den heißen Draht eingeklinkt«, erwiderte Arnie. »Er hat den Präsidenten rausgeworfen, selbst mit Narmonow gesprochen und ihn überredet, die Sache etwas herunterzufahren. Fowler ist ausgeflippt und hat dem Geheimdienst gesagt, sie sollten ihn verhaften, aber bis die im Pentagon waren, hatte sich die Lage beruhigt. Es hat Gott sei Dank funktioniert.«
Da schluckte Holtzman eine Minute dran, aber die Geschichte paßte wieder zu den ihm bekannten Fragmenten. Fowler war zwei Tage später zurückgetreten, ein gebrochener Mann, aber ein ehrenhafter, der wußte, daß sein moralisches Recht, dieses Land zu regieren, mit dem Befehl, eine Nuklearwaffe auf eine unschuldige Stadt zu richten, erloschen war.
Und Ryan hatte das Ereignis auch so fertiggemacht, daß er sofort den Regierungsdienst quittierte, bis Roger Durling ihn wiederholte.
»Ryan hat gegen alle bestehenden Regeln verstoßen. Als würde es ihm Spaß machen.« Aber das war nicht fair, oder?
»Wenn er das nicht getan hätte, wären wir vielleicht nicht mehr hier.«
Der Stabschef goß sich noch einen ein; Holtzman winkte ab. »Verstehst du, was ich mit der Geschichte meine, Bob? Wenn du alles bringst, richtest du im Land großen Schaden an.«
»Aber wieso hat Fowler Ryan an Durling empfohlen?« fragte der Reporter. »Er konnte den Kerl doch nicht leiden und …«
»Was auch seine Schwächen sein mögen, und die hat er – Fowler ist ein aufrichtiger Politiker, deshalb. Nein, er mag Ryan persönlich nicht, liegt vielleicht an der Chemie. Ich weiß nicht, aber Ryan hat ihn gerettet, und Fowler hat Durling gesagt – wie war das noch? ›Guter Mann in einem Sturm‹. Das ist es«, rekapitulierte Arnie.
»Schade, daß er sich in der Politik nicht auskennt.«
»Er lernt ganz schön schnell. Dürfte dich überraschen.«
»Er wird die Regierung zerlegen, wenn er die Gelegenheit bekommt. Ich kann nicht – ich meine, ich kann den Kerl persönlich ja gut leiden, aber seine Politik …«
»Jedesmal, wenn ich meine, ich kenn' mich bei ihm aus, schlägt er einen neuen Haken, und dann muß ich mich daran erinnern, daß er kein Programm hat«, sagte van Damm. »Er erledigt einfach den Job. Ich gebe ihm Papiere zu lesen, und er handelt danach. Er hat ein offenes Ohr für die Leute – stellt gute Fragen und hört immer zu –, aber er trifft seine eigenen Entscheidungen, als wüßte er, was richtig und falsch ist – aber zum Teufel, meistens stimmt's. Bob, er hat mich eingewickelt! Aber das ist es auch nicht. Manchmal bin
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