Befehl von oben
London zuhörte, Eric Sevareid aus den Dschungeln Burmas und all den Gründervätern meines Berufes. Ich bin aufgewachsen mit Bildern, die im Geiste entstanden aus Wörtern von Männern, denen ganz Amerika vertraute, die nach bestem Wissen und Gewissen die Wahrheit sagten. Ich entschied, die Berufung, Wahrheit zu finden und sie dem Volk nahezubringen, wäre so nobel wie jede andere, die ein Mann – oder eine Frau – anstreben konnte.
Wir sind nicht immer vollkommen, wir aus diesem Geschäft«, fuhr Plumber fort.
Zu seiner Rechten betrachtete Donner verblüfft den Teleprompter.
Dies war nicht, was vor der Kameralinse Vorbeiscrollte, und er erkannte, daß Plumber zwar gedruckte Seiten vor sich hatte, aber die Rede aus dem Gedächtnis vortrug. Man stelle sich's vor. Wie in alten Zeiten anscheinend.
»Ich würde gern sagen, ich wäre stolz darauf, in diesem Beruf zu sein. Ich war's mal. Ich war am Mikrofon, als Neil Armstrong seinen Fuß auf den Mond setzte, und bei traurigen Anlässen, wie Jack Kennedys Begräbnis. Aber professionell zu sein heißt nicht, nur dabeizusein. Es bedeutet, sich zu etwas bekennen, an etwas glauben, für etwas einstehen zu müssen.
Vor wenigen Wochen haben wir an einem Tag Präsident Ryan zweimal interviewt. Das erste Gespräch kam morgens aufs Band, das zweite machten wir live. Mit etwas anderen Fragen. Dafür gibt's einen Grund.
Zwischen dem ersten und zweiten Interview wurden wir zu jemandem bestellt. Den Namen sage ich jetzt noch nicht, sondern später. Die Person gab uns Information: empfindliche Information, die dem Präsidenten schaden sollte. Zu der Zeit sah's wie eine gute Story aus. War's nicht, doch das wußten wir nicht. Zu der Zeit sah's aus, als hätten wir die falschen Fragen gestellt. Wir wollten bessere stellen.
Also logen wir. Wir belogen Arnie van Damm, Stabschef des Präsidenten; sagten ihm, die Bänder seien irgendwie beschädigt worden. Damit belogen wir den Präsidenten ebenfalls. Am schlimmsten aber: Wir haben auch Sie belogen. Die Bänder habe ich in Verwahrung genommen. Sie sind in keiner Weise beschädigt.
Es war kein Gesetzesbruch. Der erste Verfassungszusatz erlaubt uns fast alles, und das ist in Ordnung, weil Sie da draußen oberste Richter dessen sind, was unsereiner tut und wer er ist. Aber eines dürfen wir nicht tun: Das von Ihnen in uns gesetzte Vertrauen brechen.
Ich bin kein Anhänger von Präsident Ryan. Mit seiner Politik stimme ich persönlich in vielem nicht überein. Wenn er zur Wiederwahl anstünde, würde ich jemand anderen wählen. Aber ich war an der Lüge beteiligt und kann damit nicht leben. Bei allen Fehlern ist John Patrick Ryan ein ehrbarer Mensch, und ich darf meine Arbeit nicht vom persönlichem Gefühl für oder wider einen Menschen oder eine Sache beeinflussen lassen.
Diesmal tat ich es. Das war falsch. Es ist an mir, mich zu entschuldigen, beim Präsidenten – und bei Ihnen. Es mag das Ende meiner Karriere als Fernsehjournalist sein. Aber wenn, so will ich sie verlassen, wie sie begonnen hat: die Wahrheit sagen, so gut ich's kann.«
»Gute Nacht, von NBC News.« Plumber atmete tief ein, als er die Kamera anstarrte.
»Was zum Teufel sollte denn das alles?«
Plumber stand auf. »Wenn du das fragen mußt, Tom …«
Das Telefon an seinem Platz läutete – in Wirklichkeit blinkte ein Lämpchen. Plumber entschied sich, nicht ranzugehen und ging zur Garderobe. Tom Donner würde selbst zusehen müssen, wie er damit klarkam.
Zweitausend Meilen entfernt, über dem Rocky Mountain National Park, stoppte Arnie van Damm den Videorecorder, ließ das Band auswerfen und trug es die Wendeltreppe hinab zur Kabine des Präsidenten.
Ryan ging gerade den Text seiner nächsten und letzten Rede dieses Tages durch.
»Jack, ich glaube, das wollen Sie sehen«, sagte er und grinste breit.
*
Für alles muß es einen ersten Fall geben. Diesmal war es in Chicago. Sie war Samstag nachmittag zu ihrem Arzt gegangen und hatte denselben Rat erhalten wie alle anderen. Grippe. Aspirin. Flüssigkeit. Bettruhe.
Aber beim Blick in den Spiegel sah sie Verfärbungen ihres hellen Teints, und das ängstigte sie mehr als alle übrigen Symptome zuvor. Diese Flecken konnten nicht warten, also stieg sie in ihren Wagen und fuhr zum University of Chicago Medical Center, einer der besten Kliniken Amerikas. In der Notaufnahme wartete sie rund vierzig Minuten, bis man sie aufrief. Den Weg zum Pult schaffte sie aber nicht und fiel vor den Augen der
Weitere Kostenlose Bücher