Befohlenes Dasein
erfolgte genau vor 1 069 314 Jahren, 2 Monaten und 16 Tagen, vom heutigen Zeitpunkt an gerechnet. Als Kamana nach langem Suchen den Bildschirm überprüft, hält er unwillkürlich die Hände vor die Augen.
Es ist das Inferno.
Er winkt Fellh hastig heran.
„Kommen Sie schnell, Kollege!“
Fellh ist mit einem Sprung bei ihm. Er prallt entsetzt zurück.
„Oh!“ ruft er nur. Doch in diesem kleinen Ausruf ist alles enthalten, was er an namenlosem, beispiellosem Schrecken zum Ausdruck zu bringen vermag.
Es regnet Bomben auf die brennende Stadt. Kamana bedient eines der Handräder, so daß sie jetzt aus vielen Kilometern Höhe auf die Stadt herabblicken.
Und dann sehen sie gewaltige, silbernglänzende zigarrenförmige Raumschiffe. Sie laden ihre Lasten auf die bedauernswerte Stadt ab.
Das sind keine Atombomben im gewöhnlichen Sinn, das sind weder Wasserstoff– noch Kobaltbomben. Es ist eine grauenhafte Vernichtungswaffe, die der unbekannte Gegner zur Anwendung bringt. Aus einigen der hohen Stahltürme, die am Rande der Stadt aufgestellt sind, zischen in ununterbrochener Reihenfolge Abwehrstrahlen und Magnetraketen. Dann schweigen auch sie, von der unvorstellbaren Hitze zerschmolzen, vom Luftdruck umgebogen, von den tödlichen Strahlen zerfressen. Majestätisch kreisen in fünfzig Kilometer Höhe die silbernen Zigarren, deren jede eine Länge von vierhundert Metern hat. Tief unten aber ist die Hölle.
Antonio Stia und Professor Gra-koh haben die Plätze der beiden anderen eingenommen. Fellh hat die Nerven verloren, er ist völlig zusammengebrochen und schluchzt.
„Verflucht!“ sagt auch Antonio Stia, dessen Kälte sonst durch nichts erschüttert werden kann. Professor Gra-koh aber murmelt ununterbrochen vor sich hin.
Die Kettenreaktionen pflanzen sich über das ganze Land. Überall schießen gewaltige Atompilze in die Luft, ganze Gebirgsmassive geraten ins Wanken oder werden zerfetzt und in die Wolken geschleudert. So weit das Auge blicken kann, erfolgen die furchtbaren Ausbrüche zertrümmerter Materie, und selbst der Meeresgrund bleibt nicht verschont. Riesige Flutwellen wälzen sich gegen die Küsten und kommen erst an den Gebirgen zum Stehen.
Mit geballten Fäusten steht Professor Gra-koh vor dieser absoluten Verwüstung, Nichts, nichts wird mehr übrigbleiben von jener schimmernden Stadt höchster Zivilisation und ungetrübter Lebensfreude.
„Da, da! Die Raumschiffe!“ ruft Gra-koh mit erstickter Stimme.
Kamana drängt Stia zur Seite. Er blickt durch das Okular und sieht, wie sich die silbernen Zigarren in Bewegung setzen. Er dreht an den Handrädern, um sie weiter im Blickfeld zu behalten.
„Wollen wir sie verfolgen?“ fragt Kamana den neben ihm stehenden Professor.
„Jaja!“ antwortet dieser, aufs höchste erregt.
Wie ein schneller Film rollt das nachfolgende Geschehen ab. Kamana bedient das Handrad, um mit dem Bildschirm Schritt zu halten. Eine Weile geht das gut, doch dann haben sich die Silberzigarren in Nichts aufgelöst. Kamana zuckt die Schultern.
„Sie haben sich entmaterialisiert“, stellt er fest. „Da ist leider nichts zu machen.“
Er stellt die Maschine ab.
„Ich glaube, daß sich weitere Vorstöße in die Vergangenheit erübrigen“, resümiert er. „Das, was wir gesehen haben, beweist uns, daß es auch die sogenannte Vergangenheit nicht gibt. Das Leben ist zeitlos, meine Herren Kollegen. Ihre Vorfahren, die vor mehr als einer Million Jahren das Gelände der heutigen Hafenstadt Be-is bevölkerten, waren Ihnen schon damals technisch überlegen. Eine solche Überlegenheit kann nur durch eine uralte Geschichte und aus den Traditionen heraus entstanden sein. Man könnte diese Geschichte wiederum bis zu einer Art Anbeginn verfolgen – wer aber möchte behaupten, daß jene damalige zerstörte Welt die erste war, die sich auf dem Da-lun befand? Kulturen entstehen und vergehen, es ist das uralte Märchen von der Reinkarnation, von der Wanderung der Seelen, die alles Materielle überdauern.“
Aufs tiefste beeindruckt verlassen die beiden Professoren die Hauptstadt der Galaktischen Union. Das, was sie ihren Mitbewohnern mitzuteilen haben, übersteigt die Grenze dessen, was sie sich von ihrer langen Reise jemals erhofften.
*
Nacht hat sich über Kidora gesenkt.
Kan Kamana hat sich bequem in einem Liegestuhl ausgestreckt und raucht eine seiner vitaminhaltigen Zigaretten. Er überläßt sich ganz dem Zauber dieser Nacht.
Da klingt ein feines, helles Quietschen vor
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