Befreiung vom Überfluss: Auf dem Weg in die Postwachstumsökonomie (German Edition)
harmonieren. Dieses Prinzip wird bzw. wurde durch den Förderbereich der GLS-Bank und der ehemaligen Ökobank bereits praktiziert.
Daneben existieren andere positive Effekte kleinräumiger Ökonomien. Diese bestehen in kürzeren Transporten und verbesserten Möglichkeiten für geschlossene Kreisläufe. Weitaus wichtiger für den hier vorliegenden Kontext sind jedoch zwei weitere strukturelle Wirkungen einer De-Globalisierung. Die (graduelle) Abkehr von räumlich entgrenzten Wertschöpfungsstrukturen würde notwendigerweise mit dezentraleren und durchschnittlich kleineren Produktionskapazitäten einhergehen, weil die mit einer Abschöpfung zunehmender Skalenerträge korrespondierenden Outputmengen nicht innerhalb eines räumlich begrenzten Marktes abgesetzt werden könnten. Durch diesen Wandel würden viele der kapitalintensiven Wertschöpfungsstufen entfallen, die allein der überregionalen Logistik und Distribution dienen. Zudem wären im Falle geringerer Ausbringungsmengen tendenziell nicht so kapitalintensive Technologien rentabel.
Die von Leopold Kohr, Ernst Friedrich Schumacher und Ivan Illich als Kontrapunkt zur industriellen Massenfertigung empfohlenen »mittleren« bzw. »konvivialen« Technologien sind durch eine geringere räumliche Reichweite und Arbeitsproduktivität gekennzeichnet, weil sie mit einer Reaktivierung handwerklicher, also weniger kapitalintensiver Wertschöpfung einhergehen. Wenn das allgegenwärtige Prinzip einer Maximierung der Arbeitsproduktivität umgekehrt werden könnte, wären ohnehin geringere Wachstumsraten des Bruttoinlandsprodukts vonnöten, um einen bestimmten Beschäftigungsstand zu halten. Kürzere Wertschöpfungsketten im Sinne einer geringeren Spezialisierung und folglich mit geringerem Kapitalbedarf reduzieren strukturelle Wachstumszwänge also auf mehrfache Weise!
Regionale Komplementärwährungen wie etwa der »Chiemgauer« oder »Bremer Roland« können eine räumliche Entflechtung unterstützen. Sie verkürzen die Wertschöpfungskette, weil sie lediglich innerhalb eines begrenzten Radius gültig sind. Ein zusätzlicher, den Wachstumszwang mindernder Effekt würde erzielt, wenn derartige »Regios« mit einer zinslosen Umlaufsicherung versehen wären. Demnach hätte das Geld nicht nur keinen Zins, sondern würde sogar an Wert verlieren, wenn es nicht innerhalb eines bestimmten Zeitraumes ausgegeben wird. Damit entfiele jeder Anreiz zur Hortung und zur Spekulation. Außerdem wäre eine Gebühr zu entrichten, wenn Regios in die Hauptwährung – die nicht abgeschafft, sondern nur teilweise ersetzt werden soll – zurückgetauscht werden. Dies würde den Antrieb stärken, das Geld im regionalen Kreislauf zu belassen.
Eine solche De-Globalisierung führt dazu, dass ein Kaufmann, der Regios einnimmt, nun Ausschau nach regionalen Lieferanten hält, die das Geld annehmen. Diese Unternehmen suchen wiederum ihrerseits Zulieferer aus der Region, um ihre Beschaffung mit Regios abzuwickeln. Wenn nun auch Arbeitnehmer bereit wären, sich einen vereinbarten Teil ihres Lohnes in Regios auszahlen zu lassen und sogar Kommunen sowie Finanzämter diese Währung akzeptierten, hätten regionale Wertschöpfungsketten eine echte Chance. Natürlich würde dies nur jene Güter betreffen, die sich dafür eignen. Die Restgröße all dessen, was nicht in der Region herzustellen ist, könnte weiterhin mit dem Euro abgewickelt werden: So regional wie möglich, so global wie nötig.
Und das ist nicht alles: Indem Regios als »Schwundgeld« konzipiert sind, also keinen Zins haben, entsteht zusätzlich ein indirekter Effekt, der den zinsbedingten Zwang zum Überschuss mindern kann, wann immer Regios als Fremdkapitel verfügbar sind. Außerdem korrespondieren Regionalökonomien mit kleineren Unternehmen, die per se transparenter und demokratischer zu kontrollieren sind, erst recht dann, wenn es keine Aktiengesellschaften – die in einer Postwachstumsökonomie ohnehin deplatziert wären –, sondern Genossenschaften sind. Unternehmensformen, die durch ihre institutionelle Struktur, räumliche Nähe und überschaubare Größe so entwickelt werden können, dass sie sich nicht an maximaler Rendite, sondern an unmittelbarer Bedürfnisbefriedigung orientieren, sind mit globaler Verflechtung kaum vereinbar.
Den industriellen Komplex so zurückzubauen, dass die Distanzen zwischen Verbrauch und Produktion kürzer werden, ist einerseits nur punktuell und graduell praktikabel. Andererseits lassen sich manche
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