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Befreiung vom Überfluss: Auf dem Weg in die Postwachstumsökonomie (German Edition)

Befreiung vom Überfluss: Auf dem Weg in die Postwachstumsökonomie (German Edition)

Titel: Befreiung vom Überfluss: Auf dem Weg in die Postwachstumsökonomie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Niko Paech
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X> 0), dann werden auf der Nachfrageseite zusätzliche 100 Euro benötigt, um den Output zu finanzieren. Woher soll dieses Geld stammen, wenn die Nachfrager in Periode2 nur über insgesamt 1.000Euro verfügen? Würde die Firma zu Beginn der zweiten Periode abermals nur 1.000 Euro investieren und ihre Produktion auf demselben Niveau fortsetzen, ergäbe sich folgende Situation: Die Konsumenten könnten zwar die fehlenden 100 Euro von den neuerlichen Einnahmen abzweigen. Aber damit entstünde in der dritten Periode eine noch größere Finanzierungslücke. Das bedeutet umgekehrt: Nur wenn die Firma in der zweiten Periode nicht mehr nur 1.000 Euro, sondern 1.100 Euro aufwendet, um Arbeits- und Materialinputs einzusetzen, entsteht das in dieser Periode zusätzlich benötigte Einkommen. Damit steigt die in Periode 3 abzusetzende Produktion und der mindestens zu erzielende Umsatz. Den Nachfragern verbleibt ein Resteinkommen in Höhe von 1.000 Euro, um die Konsumgüternachfrage in Periode 3 zu finanzieren.
    Periode 3: Die Produktion der Vorperiode, deren Kosten sich auf 1.100 Euro beliefen, soll für 1.200 Euro verkauft werden. Jetzt besteht eine Finanzierungslücke von 200 Euro. Um diese zu schließen, kauft das Unternehmen für die Produktion dieser Periode Inputs im Wert von 1.000 Euro plus 200 Euro. Damit entsteht das notwendige Einkommen, um die Produktion der Vorperiode abzusetzen. Das für den Konsum in Periode 4 verfügbare Einkommen beläuft sich abermals auf 1.000 Euro.
    Periode 4: Der Output muss nun 1.300 Euro an Verkaufserlösen (= Kosten von 1.200 Euro plus Gewinn von 100 Euro) erzielen. Jetzt wären 300 Euro zu investieren, um eine Absatzkrise zu verhindern. Aufgrund des abermals gestiegenen Outputs, dessen Kosten nebst zusätzlichem Gewinn zu decken sind, muss die Investition in Periode 5 und damit das in Periode 6 abzusetzende Outputniveau abermals gesteigert werden ...
    Unter der obigen Annahme, dass jedes Jahr nur derselbe absolute Gewinn erzielt wird, ergibt sich bereits ein lineares Wachstum der Güterproduktion. Andernfalls ist die Produktion langfristig nicht aufrecht zu erhalten. Wird realistischerweise angenommen, dass die periodisch zu steigernden zusätzlichen Investitionen durch Fremdkapital finanziert werden, für das Zinsen zu entrichten sind, kann der Gewinn langfristig nicht konstant bleiben. Irgendwann können 100 Euro Überschuss die periodisch wachsende Zinslast nicht mehr tilgen. Notwendig ist daher exponentielles Wachstum. Steigende Investitionen müssen nun neben dem Einkommen zur Finanzierung der erhöhten Produktion die sukzessive steigende Zinssumme abdecken.
    Der vom Zins induzierte zusätzliche Wachstumsdruck lässt sich durch eine Eigenkapitalfinanzierung nicht mildern. Um die Investitionen durch selbst gebildetes Eigenkapital zu finanzieren, wäre der Periodengewinn entsprechend zu steigern. Er müsste in der zweiten Periode 200 Euro betragen, von denen 100 Euro zum Zweck des Investierens zu thesaurieren wären. Aber um genau diesen Betrag nähme dann die Finanzierungslücke zu. Würde die Finanzierung über Eigenkapitalgeber erfolgen, so würden diese eine Rendite mindestens in Höhe des Kapitalmarktzinses verlangen, womit der Zins seine Wirkung indirekt beibehielte.
    Insoweit diese Logik für jedes spezialisierte Unternehmen gilt, das Kapital benötigt, um zu produzieren, lassen sich Ansatzpunkte für eine Milderung struktureller Wachstumszwänge ableiten: Weniger Spezialisierungsstufen zwischen Produktion und Verbrauch reduzieren zwar die betriebswirtschaftlichen Kostenvorteile der Arbeitsteilung, können aber gleichsam den Wachstumszwang verringern, insoweit damit die Kapitalintensität der Produktion und folglich die Summe der mindestens zu erzielenden Überschüsse zwecks Bedienung der Kapitalansprüche sinkt. Kurze Wertschöpfungsketten, etwa im Sinne einer Lokal- oder Regionalwirtschaft, schaffen überdies Nähe und damit Vertrauen, welches per se eine weniger zins- und renditeträchtige Kapitalbeschaffung ermöglicht. Warum? Sowohl Eigen- als auch Fremdkapitalgeber tragen ein Risiko, welches mit zunehmender Komplexität, also Anzahl, Distanz sowie Anonymität der Produktionsstätten und Kapitalverwendung, steigt. Dieses Risiko steigert die von den Kapitalgebern verlangte finanzielle Kompensation, also Zins bzw. Eigenkapitalrendite.
    Hierbei darf nicht die elementare Rolle der Geldschöpfung übersehen werden. Denn der von Binswanger als »Wachstumsspirale«

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