Begegnung im Schatten
bringen. Doch einmal kam sie von selbst darauf, indem sie unvermittelt schrieb: „Grit hätte bestimmt auch große Freude an der Reise.“ Ihre Stimmung blieb jedoch ungetrübt.
Das Haus nahm die Exterranerin sofort in Augenschein und Besitz. Die Aussicht auf die Berge und Felsen faszinierte sie. Minutenlang konnte sie wie erstarrt stehen und in die Ferne blicken, und Stephan dachte mit Wehmut: ,Ob sie traurig ist, diese schöne fremde Welt zu sehen und nicht zu wissen, wie die ihre beschaffen ist?’ Einmal hatte sie nach solchen Augenblicken geschrieben: „Es muss dort sehr viel Wasser geben…“ Und Stephan brauchte Zeit, um hinter den Sinn ihrer Worte zu kommen. Sie waren es auch, die ihn ihre Sehnsucht verstehen ließen.
Stephan Ramlundt maß den Pool aus, um sein Fassungsvermögen und daraus das Mixverhältnis für das Salz zu errechnen. Als er sowohl das Füllen als auch das Mischen beendet hatte, konnte er gerade noch verhindern, dass Lissi spontan eintauchte. „Es ist zu kalt“, rief er.
Lissi probierte vorsichtig, und zum ersten Mal bemerkte er an ihr eine Art menschliche Regung: Sie schüttelte sich.
Er hatte sein Problem: Auch am Tag darauf lag die Wassertemperatur noch um drei Grad unter dem Grenzwert, den sie als Optimum für das Wohlbefinden der Aliens ermittelt hatten.
Kurzer Hand isolierte Stephan die Stromzufuhr eines Ölradiators wasserdicht und versenkte diesen im Pool. Als er Lissi darauf aufmerksam machte, nicht ins Wasser zu gehen, so lange sich der Heizkörper darinnen befand, ließ sie auf dem Monitor den lächelnden Mund erscheinen, was wohl heißen mochte: „Ich weiß Bescheid“ und ihn bewog, doch künftig Belehrungen weitgehend zu unterlassen.
„Sep, tust scho in die Post schaun. I muss dringend telefoniern.“ Der ehrenamtliche Bürgermeister von Niggeln legte seinem Mann für alles, dem Josef Hofbauer, das kleine Päckchen Briefe und Werbung auf den Tisch und zog sich in sein Büro zurück.
Zwei Schreiben von einiger Bedeutung sortierte Hofbauer aus, eines vom Finanzamt, das andere von der Polizeiwache in Jachenau. Er öffnete beide; das vom Finanzamt legte er ungelesen zur Seite, das zweite nahm er sich vor. Manchmal erfuhr man aus diesen Routineschreiben lokal Aufregendes. An diesem Tag allerdings weniger. In Höfen gab es einen Verkehrsunfall, Zeugen wurden gesucht. Eine Straßensperre wurde angezeigt; und dann kamen mehrere Suchmeldungen und eine Fahndung nach einem PKW mit Hänger. Schon wollte Hofbauer das Schreiben auf das des Finanzamts legen, als er stutzte. Er las aufmerksam das Fahndungsersuchen: „Gesucht wird ein PKW-Jeep der Marke Chrysler mit dem Kennzeichen FHM-AL 326. Das Fahrzeug führte den Lastenanhänger mit dem Kennzeichen FHM-RG 812. Hinweise an…“
Josef Hofbauer rief: „Dös is der doch!“ Er stand hastig auf, trat ins Büro des Bürgermeisters, den er beim Stopfen seiner Pfeife antraf, hieb den Brief auf den Schreibtisch und sagte überzeugt. „Vincenz, dös isser.“
„Wer is wer?“, fragte der mit Vincens Angeredete zurück und zündete ein Streichholz.
„Der drom im Aptheker seiner Hüttn. Der Ramlundt oder wie der haßt.“
„Ä geh, zeig her!“
Hofbauer legte das Schreiben lesegerecht und drückte seinen Zeigefinger auf die Meldung.
„Manst?“, fragte der Bürgermeister nach der Lektüre und fuhr fort, als Hofbauer nachdrücklich nickte: „Schaust halt morgen, wennst die Semmeln bringst nach die Nummern, gell? Ober mochen tust nix, hörst?“
Am Vormittag des Folgetags ging eine Meldung vom ehrenamtlichen Bürgermeister aus Niggeln an die Polizeiwache in Jachenau. Über mehrere Stationen landete am Nachmittag auf Constanze van Haardens Schreibtisch die Nachricht, dass die Fahndung nach Dr. Hausers Gespann erfolgreich verlaufen sei.
Dem war Folgendes vorausgegangen: Aufgeregt stürzte gegen 9 Uhr Josef Hofbauer in das Büro des Bürgermeisters, der eben seine täglichen zwei Stunden Amtsausübung angetreten hatte. Ohne zu grüßen sprudelte er los: „Wos manst, Vincens, wos i deriebt hob: Mei Moped hob i scho weit drunten obgstellt, dass er mi net hört. Dann hob i mich aogschlichen, die Semmeln und die Milich aons Türl gstellt und nauf bin i aons Haus. Wie i die Nummern notiere von die Fahrzeug, denk dir, do kimmt a schworzer Teifel raussprunger aus ‘n Haus un hupft in dän Pul nei, dass nur so gspritzt hot.“
„A Teifel! Do schau her. Ober oan Enzian host heit nuch net gnumma.“
„Wenn i dir sog! Su groß wor
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