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Begegnung in Tiflis

Begegnung in Tiflis

Titel: Begegnung in Tiflis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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und dann hat man ein Bett und einen weißen Körper neben sich und pfeift auf die Wüste, den Ölgestank, das schal schmeckende Wasser und auch auf die guten, harten Francs, denn man wird gut bezahlt für die Kraft und den Mut, mitten in einem Sandmeer zu leben und sich mit Sandflöhen und Skorpionen zu unterhalten.
    Dimitri hatte sich schnell in die Gemeinschaft der rauhen Burschen von Ain Taiba eingelebt. Man nannte ihn schlicht Iwan, dem Sammelbegriff für Russen, und Dimitri ließ es über sich ergehen. Ihm war alles Äußere gleichgültig, auch daß man ihn als ausgebildeten Ingenieur zunächst in den Maschinensaal – wie man die glutheiße Baracke mit den Elektromotoren nannte – steckte, wo er stundenlang nur eine Schalttafel bewachte, die Lager ölte, dauernd Kurzschlüsse zu beheben hatte, weil das Stromnetz überlastet war; eine sture Arbeit, vor der sich jeder andere drückte. Dimitri war es recht so. Hier hatte er Zeit, an Bettina zu denken und an sein schönes Leben, das in Tiflis geblieben war.
    Drei Tage nach seiner Ankunft in Ain Taiba kam einer der leitenden Ingenieure zu ihm – mit einem Hubschrauber war er extra wegen Dimitri von Ouargla gekommen – und bestellte ihn in die Vorarbeiterbaracke.
    »Es wird Schwierigkeiten geben, Sotowskij«, sagte er ohne lange Einleitung. »Ihre Braut ist in der Wüste verschwunden.«
    »Wer?« fragte Dimitri. Er begriff nicht, was der Oberingenieur von ihm wollte. Er hatte keine Braut in Afrika.
    »Sie wissen nicht, daß Ihre Braut in Algerien ist?« fragte der Mann aus Ouargla verblüfft.
    »Ich habe keine Braut«, sagte Dimitri. »Sie verwechseln mich, Monsieur.«
    »Unmöglich!« Der Oberingenieur sah Dimitri irritiert an. »Aus Bône kam die Meldung, daß Ihre Braut, Bettina …«
    »Wanduscha!« schrie Dimitri auf. Er schnellte hoch und warf die Arme in die Luft. »Wanduscha ist hier?« Sein Gesicht glänzte, fast wäre er durch das Zimmer getanzt wie ein Tscherkesse. »Brüderchen Oberingenieur, sie ist mir nachgefahren? Sie hält zu mir! Wo ist sie? Wo? Sag schnell, wo ich meine Wanduscha finden kann!«
    »Es scheint wirklich ein Irrtum zu sein«, sagte der Oberingenieur und wischte sich über die Augen. »Nicht Wanduscha – Bettina heißt das gesuchte Mädchen.«
    »Sie ist es! Sie ist es!« jubelte Dimitri. Er riß den verblüfften Oberingenieur an sich, küßte ihn auf beide Wangen und drehte ihn um sich selbst, als sei er ein großer Kreisel. »Wo ist sie?« schrie Dimitri dabei. »Brüderchen, wo ist sie denn? Ich fahre ihr entgegen.«
    »Einen Dreck werden Sie!« sagte der Oberingenieur grob. Er flüchtete aus dem Griffbereich Dimitris und wischte sich den perlenden Schweiß aus dem Gesicht. »Ihre Wanduscha, oder wie das Weibsstück heißt, beschäftigt schon die algerischen Behörden. Allein ist sie in die Wüste, anscheinend, um nach Ain Taiba zu kommen.«
    »Ein mutiges Weibchen, ein tapferes Weibchen … sie war es immer«, sagte Dimitri glücklich.
    »Ein idiotisches Weibchen!« schrie der Oberingenieur aus Ouargla. »Allein durch die Wüste! Das macht nicht einmal ein Irrer! Und wir haben die dicken Köpfe! Himmel und Hölle noch mal, wir haben hier einen knallharten Job, für den es ebenso harte Francs gibt, wir schlafen nicht auf Rosen, sondern auf Pritschen, und als Sie sich bei uns meldeten, wußten Sie, was Sie hier erwartet! Hier ist eine Bohrstelle nach Öl, aber kein Privatpuff!«
    Dimitri sah den schreienden Oberingenieur stumm und wehmütig an. Meine Wanduscha, dache er. Kommt durch die Wüste zu mir, und er nennt sie eine Hure. Oh, was sind dies nur für Menschen? Haben sie kein Herz mehr? Verstehen sie nicht mehr, was die Liebe alles vermag? Daß es weder Grenzen noch Völker noch nackte Vernunft gibt, wenn man liebt? Ist er eine Maschine, die Geld produziert?
    Und dann tat er etwas, was er in Rußland getan hätte, wenn ein Genosse seine Wanduscha eine Hure genannt hätte: Er trat einen Schritt vor und gab dem Oberingenieur eine schallende Ohrfeige.
    An diesem Tage wurde Dimitri von neunzehn Arbeitern der Bohrstelle VI von Ain Taiba zusammengeschlagen. Er ahnte es vorher, als der Oberingenieur nach dieser Ohrfeige stumm die Baracke verließ und der Vorarbeiter nach einer halben Stunde ins Zimmer kam, mit dem Daumen zur Tür zeigte und sagte: »Komm mal raus, Iwan, aber schnell!«
    Und Dimitri trat vor die Tür und sah vor sich eine Gasse von halbnackten, muskelstarken Männern, die ihn mit ausdrucklosen Gesichtern anstarrten

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