Begegnungen (Das Kleeblatt)
Mitgefühl und entlockte Beate ein überraschtes: „Oh.“
Nach der ersten Schrecksekunde, in der sie zunächst nicht recht wusste, ob sie brüllen und fluchen oder sich vor Scham unter dem Sitz verkriechen sollte, lachte sie unsicher auf. „Ja, klar. Wie sonst hätten Sie mich finden können? Ich habe Alain mein Tagebuch schließlich nicht als unterhaltsame Bettlektüre mitgegeben.“
Der erzwungen spöttische Ton war aus ihrer Stimme gewichen, als sie leiser anfügte: „Weiß noch jemand … Wer sonst hat es gelesen?“
„Alain natürlich. Und in Vorbereitung dieses Auftrages Adrian und ich. Wir waren der Meinung, Sie sollten nach Ihrer Rückkehr selber entscheiden, wer außerdem davon erfahren muss, was hier vor sich geht.“
„Ich danke Ihnen für Ihre Offenheit, Frithjof. Man begegnet selten einem so ehrlichen Menschen.“
„Ich habe zu lange mit Lügen gelebt.“
„ Ein neues Rätsel?“, mutmaßte sie und entschuldigte sich bei ihm mit einem Schulterzucken, weil sie sich keinen Reim auf seine Worte zu machen wusste.
„Ich war Mitglied einer militärischen Spezialeinheit. Mitunter wurde sie auch als eine Elitetruppe mit Sonderstatus bezeichnet. Dort habe ich Adrian kennengelernt. Um genau zu sein, ich habe ihn rekrutiert und ausgebildet“, fügte er mit einer gewissen Reue hinzu. Mit Argusaugen beobachtete er Beates Reaktion, als er schließlich ergänzte: „Ihn und seinen Freund Angel Stojanow.“
Beate hatte die bewusst eingelegte Pause nicht bemerkt und nickte lediglich.
„Stojanow war Arzt und verschwand vor neun Jahren aus heiterem Himmel. Ohne irgendeinen Hinweis war er von einem Tag auf den anderen spurlos verschwunden“, begann Peters langsam und bedacht seine Erklärungen. Doch seine Gedanken entwickelten schon bald ihr eigenes Tempo, bis seine Worte wie ein Wasserfall über seine Lippen flossen.
„Es gab nie eine heiße Spur zu Stojanows Aufenthaltsort, bis Alain zwei Jahre später an Adrians Wohnungstür in Rostock klingelte und nach Ihnen suchte. Er vermutete Sie in Hamburg, berichtete verwirrende, fast unglaubliche Dinge von Organhandel und einem Mord an zwei Pariser Journalisten. Ich halte es noch immer für eine glückliche Fügung des Schicksals, dass Alain nicht zur Polizei gegangen ist, sondern Adrian stattdessen mich gebeten hat, nach Ihnen zu suchen. Bei diesen Dingen verfügt er über einen siebten Sinn. Und tatsächlich haben wir Ihre Spur bis nach Hamburg verfolgen können.“ Frithjofs Stimme klang zunehmend so, als würden ihn immense Schuldgefühle plagen. „Wo wir sie bedauerlicherweise verloren haben. Allerdings habe ich nicht geahnt, wie hartnäckig Alain sein würde. Er hat einfach nicht aufgegeben, ist auf eigene Faust losgezogen und hat über all die Jahre nur dieses eine Ziel verfolgt.“
„Er ist schon ziemlich verrückt.“
„In Hamburg fanden wir zwar nicht Sie“, sagte Frithjof Peters mit ausdrucksloser Stimme und Beate hörte die Anspannung aus seinem Ton heraus, „dafür aber Angel Stojanow.“
„Ach?“
„Er ist entführt worden.“
„Entführt?“ Sie zuckte zusammen. „Adrians Freund? Wieso denn das? Wer tut so etwas?“
Jäh herrschte Schweigen zwischen ihnen. Es dehnte sich endlos und senkte sich bleischwer auf sie beide, während Peters der Frau vorspielte, sich mit besonderer Aufmerksamkeit der unwegsamen Wildnis und der löchrigen Straße vor ihm widmen zu müssen.
„Angel Stojanow?“
„Ja.“
„Ich habe den Namen schon einmal gehört. Ich bin in Hamburg … Sie haben ihn in Hamburg gefunden, sagten Sie?“
„Ja.“
„Warum betonen Sie das eigentlich so?“, platzte es unvermittelt aus ihr heraus. „Sie wollen … wollen Sie damit andeuten … Sie glauben sicher nicht im Ernst, es würde einen Zusammenhang geben zwischen dieser Entführung und meiner … meiner …“
Voller Entsetzen blickte sie auf ihre Hände, die in ihrem Schoß lagen und mit einem Mal heftig zu zittern begannen. Gleichzeitig erschien vor ihrem Auge das Bild eines vor Kälte und Furcht schlotternden Mannes zu ihren Füßen. Sie hatte ihm von der Welt da draußen erzählt, die er zwei Jahre lang nicht gesehen hatte.
„Er verschwand vor neun Jahren?“
„ So ist es.“
Für einen Moment glaubte sie , ihr Herz würde aufhören zu schlagen. Sie selber war vor sieben Jahren …
„Angel Stojanow“, flüsterte sie mit geschlossenen Augen und ihre Stimme war nicht mehr als ein dünner Lufthauch. „Oh mein Gott! Es war …“ Ihre Augen
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