Begegnungen (Das Kleeblatt)
und unter Dauerstress und Angst setzt, bricht seinen Willen früher oder später. Um ihn zu retten, hätten wir ihn Monate früher finden müssen.“
„Aber er ist blind! Und … und er …“ Sie schnappte nach Luft. „Er war halb verhungert.“
Und sie hatten vor ihren Augen Dinge mit ihm getan, die sich nicht in Worte fassen ließen. Die es Angel unmöglich machen würden, jemals in ein normales Leben ohne Angst und Albträume zurückzufinden. Nichts und niemand konnten ihm weder die Selbstachtung wiedergeben, die man aus ihm herausgepeitscht hatte, noch die Erinnerung an die entwürdigenden Vergewaltigungen aus seinem Gehirn verbannen.
„Ich weiß.“
„Wie geht es ihm jetzt?“
Die Sekunden verrannen, während Frithjof fieberhaft nach den richtigen Worten suchte.
„Um ihn zu retten, hätten Sie ihn Monate früher finden müssen“, wiederholte Beate langsam. „Was soll das heißen? Sie haben ihn doch gerettet? Das haben Sie doch! Warum sagen Sie nichts?“, herrschte sie ihn urplötzlich an und presste die Hände auf ihre Ohren. „Nein! Das glaube ich nicht, das ist nicht wahr!“
„Er ist ein Jahr später an seinen schweren Verletzungen gestorben.“
„Nein! Oh, mein Gott, nein!“
„Er wollte seine Familie noch einmal sehen, Karo und seine Zwillinge, die geboren wurden, als er bereits den Entführern in die Hände gefallen war. Beate, Sie haben ihm geholfen, dass sein letzter Wunsch in Erfüllung ging und er in Würde sein Leben beenden konnte.“
41 . Kapitel
Irgendwann hatte sie vollkommen die zeitliche Orientierung verloren, weil ihr immer öfter die Augen vor Müdigkeit zufielen. Zwischendurch, wenn sie blinzelnd den Mann am Steuer beobachtete, stieg ihre Achtung vor Frithjof Peters und seinen nachtaktiven Fähigkeiten ins Unermessliche. Mit stoischer Ruhe und Gelassenheit steuerte er nun schon seit Stunden den Landrover durch die pechschwarze Wildnis, ohne dass es ihm das Geringste auszumachen schien. Als würde er diesen Weg seit Jahren für seine tägliche Fahrt zur Arbeit nehmen, folgte er mit beinahe schlafwandlerischer Sicherheit der unbefestigten Straße und den holprigen Wegen. Frithjof Peters benötigte offenbar weder ein Navigationsgerät noch eine Verschnaufpause.
Bloß einmal hatte er die Fahrt für einen kurzen Moment unterbrechen müssen. Ganz genau so, wie er es angekündigt hatte, war Adrian nach einigen Stunden zu sich gekommen und hatte alles von sich gegeben, was er am Tag zuvor gegessen hatte. Beate hatte den mittlerweile wieder blutigen Verband um seine Brust gewechselt, wobei sie unablässig fluchte und schimpfte, da sie in der Dunkelheit kaum etwas erkennen konnte. Doch auch Adrians Schmerzen waren mit voller Wucht zurückgekehrt, sodass sich Frithjof gezwungen sah, ihn erneut mit Morphin zu betäuben. Er hoffte, sein Freund würde auf diese Weise bis zu ihrem nächsten Stopp in Oyembo durchhalten.
Mit einem heftigen Ruck kam der Geländewagen abermals zum Stehen. Beate schreckte auf und blickte schlaftrunken in das angespannte Gesicht von Frithjof. Sie spürte das flüchtige Tätsc heln seiner Hand auf ihrem Arm.
„ Keine Bange. Alles in Ordnung, Beate. Es geht gleich weiter.“
Unwillig vor sich hin murmelnd öffnete er die Wagentür und schwang sich behände ins Freie. Der frische Luftzug ließ Beate frösteln. Sie hatte dem schlafenden Adrian den dünnen Mantel um die Schultern gelegt und wagte nicht, sich eine Ecke davon zum Zudecken zu nehmen. Das sanfte Schaukeln des Wagens verriet, dass Peters auf die Ladefläche gestiegen war. Sie hörte, wie er dort nach etwas kramte. Als er wieder auf dem Fahrersitz Platz nahm, rochen seine Hände nach Benzin.
„Es ist alles ruhig da draußen.“
Trotz seines emotionslosen Tonfalls rutschte Beate das Herz in die Hosentasche. „Hatten Sie daran irgendwelche Zweifel?“
„Oh nein“, beteuerte er viel zu eifrig, fügte dann jedoch der Wahrheit zuliebe an: „Nun, nicht unbedingt , dennoch ist es unbestritten von Vorteil, stets auf alle Eventualitäten vorbereitet zu sein.“
„Sie sind mir ein Rätsel.“
„Belassen wir es dabei. Wir sind gut vorangekommen, das ist das Entscheidende“, lenkte Peters ihr Gesprächsthema mit der ihm eigenen Direktheit in eine andere als ausgerechnet in seine Richtung.
„Wie weit ist es noch?“
„Zwei, höchstens drei Stunden.“
„Stört es, wenn … wenn ich …“
„Erzählen Sie getrost, so viel Sie mögen. Ich höre Ihnen gern zu und es wird mich nicht
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