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Begehrter Feind

Begehrter Feind

Titel: Begehrter Feind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Kean
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dann gewesen? Du hättest dir viel schlimmer weh tun können.«
    Er seufzte tief. »Ist gut, Mama.«
    Sie war den Tränen nahe, denn sie verstand den Kleinen, der sich hier eingesperrt fühlte. Wie sollte sie ihm denn begreiflich machen, dass manche Gefahren um jeden Preis gemieden werden mussten, während andere – wie auf den Markt zu gehen und Brot zu kaufen – unvermeidlich waren?
    Ihr Sohn war so voller Leben. Könnte sie ihn doch mit anderen Kindern draußen spielen lassen! Aber im Gegensatz zu Ryles Herrenhaus, in dem Ewan geboren worden war, war ihre kleine Unterkunft in der ärmlichen Gegend nicht von einem großen Garten umgeben. Vor ihrem Haus führte eine Straße mit Pferdefuhrwerken, Landstreichern und Leuten vorbei, die zu den Läden im Dorf wollten. Dort war es viel zu gefährlich für Ewan.
    Noch dazu bestand das Risiko, dass er von Ryle oder seinen Gefolgsmännern entdeckt wurde, die ihn ihr wegnehmen oder sich von ihm zu diesem Haus führen lassen konnten. Dann wären sie beide tot.
    Um sich von ihrer Angst abzulenken, stand Gisela auf und holte einen Topf Salbe von dem Tisch neben den beiden schmalen Pritschen, die ihnen als Betten dienten. Dabei bemerkte sie, dass sie nach wie vor Dominics Kette in der Hand hielt. Und der Moment war ungünstig, um sie sich näher anzusehen.
    Sie stopfte sie in ihren Ärmel, nahm die Salbe und kehrte damit zu Ewan zurück. Dann schob sie behutsam seinen Ärmel nach oben. Lavendel- und Kampfergeruch stiegen von ihren Fingern auf, als sie die Salbe auftrug. »So«, sagte sie sanft, »das ist eine Spezialsalbe aus eingelegten Drachengehirnen. Sie heilt deine Wunde, kühner Ritter.«
    Ein zerknirschtes Grienen zeigte sich auf seinem Gesicht. »Danke, Mama.«
    Als Gisela wieder aufstand, winkte Ada sie zu sich und flüsterte: »Ich hoffe, es ist dir recht, Anne, dass wir spielen, er sei ein edler Ritter. Er liebt es so sehr. Ist ja nur ein Spiel, wie mit seinen kleinen Ritterfiguren. Ich mein’s nicht böse, und ich weiß, dass wir alle gewöhnliche Leute sind.«
    »Nein, das macht mir überhaupt nichts aus«, beruhigte Gisela sie. Als sie sich zu Ewan umdrehte, tunkte er gerade sein Brot in die Suppe. Das Licht fiel ihm seitlich aufs Gesicht, und sofort schweiften Giselas Gedanken wieder zu Dominic ab, dessen Züge im gedämpften Licht des Stalls besonders kantig gewirkt hatten.
    Falls er nun schwer verwundet im Stroh lag? Würde der Tavernenbesitzer ihm helfen? Oder warfen sie ihn einfach auf die Straße?
    Der Salbentopf rutschte ihr beinahe aus der Hand. Eilig brachte sie ihn zu dem kleinen Tisch zurück und stellte ihn ab. Unterdessen überredete Ada Ewan, noch etwas von der Suppe zu essen. Gisela nutzte den stillen Moment, um Dominics Kette aus ihrem Ärmel zu ziehen.
    Das dünne weiche Lederband fühlte sich wie Seide an; es musste lange Zeit direkt auf der Haut getragen worden sein. An das Leder gebunden war ein abgegriffenes Stückchen Stoff mit aufgestickten Gänseblümchen.
    Giselas Hand zitterte. Sie erkannte den Fetzen wieder, den sie von ihrem Kleidersaum abgerissen hatte, als sie sich Lebewohl gesagt hatten. Mit Tränen in den Augen hatte sie es ihm als Zeichen ihrer Liebe in die Hand gedrückt, auf dass es ihn auf dem Kreuzzug beschützen möge.
    »Ach, Dominic!«, hauchte sie. Neue Tränen stiegen ihr in die Augen. Die ganzen Jahre hatte er das Stoffstück bei sich behalten, nah an seiner Haut, an seinem Herzen!
    Auf einmal wusste sie mit absoluter Sicherheit, dass er sich niemals von diesem Erinnerungsstück getrennt hätte, wäre er nicht genötigt gewesen, ihr seine Treue zu beweisen. Sie konnte ihm vertrauen.
    Gisela nahm die Salbe wieder auf. Eine kribbelnde Aufregung erfüllte sie, als hätte die Sonne sich durch dichte Wolken gekämpft und würde sie nach Jahren der Dunkelheit in ihre Wärme hüllen.
    Sie wandte sich wieder zum Tisch. »Ada, könntest du noch ein klein wenig länger bei Ewan bleiben? Ich muss noch etwas erledigen.«

Kapitel 3
    A n der Stallwand hockend, einen Arm über seinen schmerzenden Rippen, öffnete Dominic die Augen. Er neigte den Kopf ein wenig und horchte aufmerksam. Da war noch ein Geräusch außer dem Scharren des Pferdes.
    Die leichten Schritte vor dem Stall bedeuteten, dass der Kommende entweder zögerte oder vorhatte, Dominic zu überraschen, solange er in der Falle saß. Vielleicht wollte er das Versprechen des Bäckers und des Schmiedegesellen erfüllen: »Wenn du Clovebury nicht so schnell verlässt, wie du

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