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Behzat C. - jede beruehrung hinterlaesst eine spur

Behzat C. - jede beruehrung hinterlaesst eine spur

Titel: Behzat C. - jede beruehrung hinterlaesst eine spur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emrah Serbes
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erstarrte für eine Weile, als fixierte sie einen bestimmten Punkt. Es folgten riesige Kullertränen. Hafize weinte still vor sich hin wie ein Wasserhahn, der tropfte, ohne störende Geräusche zu machen. Sofort verscheuchte er diesen befremdlichen Gedanken.
    »Es hieß, sie hätte in einem Studentenwohnheim gewohnt. Warum ist sie da raus?«
    Die Frage war gut plaziert, sie hörte auf zu weinen.
    »Weiß ich nicht. Soweit ich gehört habe, war sie in schlimme Sachen verwickelt.«
    »Was für schlimme Sachen?«
    »Politik. Das war der Punkt, wo ich in Hayrettin Bey gedrungen bin. Es kann doch nicht sein, daß ich eine Natter an meiner Brust gesäugt hab, hab ich ihm da gesagt. Entweder schickst du mich zu ihr, oder du bringst sie her zu mir. Da hat er, Gott sei Dank, diese Wohnung hier finanziert.«
    »Ist sie manchmal über Nacht weggeblieben?«
    Einen Augenblick dachte Hafize nach. Eine Wolke voller Zweifel huschte über ihr Gesicht.
    »Nein, nie. Nur, manchmal vor einer Prüfung ist sie zu einer Freundin lernen gegangen.«
    »Zu wem?«
    »Weiß ich nicht. Da war doch die Ayşe.«
    »Meinen Sie vielleicht Ayşen?«
    »Genau, die Ayşen. Und dann war da noch die Nazlı, die hatte gar keinen Vater, ein Waisenmädchen. Aber herzensgute Menschen. Zu denen ist sie immer gegangen.«
    »Die junge Dame, die mir die Tür aufgemacht hat?«
    »Ja. Sie waren in der gleichen Klasse. Ich hab dem Yavuz die Ohren langgezogen, hör mal, sag ich, das Mädchen hat keinen großen Bruder, da mußt du sie beschützen, einen Mann braucht sie ja an ihrer Seite. Hat er aber nicht gemacht.«
    »Ist Yavuz ihr Cousin?«
    »Nein, der Sohn vom Bruder ihres Vaters.«
    Behzat Ç gab nicht viel darum, ihr zu erklären, daß ein Sohn eines Bruders eines Vaters auch ein Cousin sei.
    »Die hab alle ich großgezogen«, fuhr Hafize fort. »Hayrettin Bey wollte immer so gern einen Sohn, aber Allah hat ihm keinen beschert, was will man da machen, nur vier Töchter. Betül war die klügste von allen. Die andern sind schon längst verheiratet, aber Betül hat ja immer so gute Noten mitgebracht. Da hat der Vater sie zum Studieren hierher geschickt. Ach, hätten wir sie lieber auch unter die Haube gebracht.«
    Behzat Çs Mobiltelefon klingelte. Es war seine Exfrau Ceyda. Die damals bei ihm unter die Haube gekommen war. Konnte sie sich jetzt auch nichts mehr von kaufen. »Entschuldigen Sie«, sagte er. Während er sprach, schaute Hafize ihn voller Sorge an, sie fürchtete wohl, es ginge in dem Gespräch um Betül. »Wir müssen reden, es ist wichtig«, sagte Ceyda. Einen kurzen Augenblick lang dachte Behzat Ç,
endlich hat’s bei ihr geklingelt, sie will zurückkommen
.
    »Was ist los?«
    »Es geht um Berna.«
    Als er aufsprang, schreckte Hafize hoch.
    »Ist was passiert? Ich ruf sie schon seit Tagen an und kann sie nicht erreichen.«
    »Nein, es geht ihr gut.«
    »Warum geht sie denn nicht ans Telefon, Mensch?«
    »Jetzt tu doch nicht so, als wenn du das nicht wüßtest.«
    In Ceydas Stimme schwang die Bereitschaft mit, jederzeit die alten Geschichten wieder aufzurollen und Behzat Ç seine Verantwortungslosigkeit ins Gedächtnis zu rufen.
    »Ja, was ist es denn dann? Sag schon!«
    »Komm morgen nachmittag vorbei. Wir müssen reden.«
    »Okay.«
    »Komm in die Tunalı-Hilmi-Straße. Zu Yunus in die Praxis.«
    »Wohin bitte?«, fragte Behzat Ç, sich leicht vorbeugend und in der Hoffnung, sich verhört zu haben, doch mit dem ruhigsten Tonfall, der ihm in diesem Moment möglich war. Und der von niemandem in der ganzen Wohnung überhört werden konnte. Ceyda sagte nur knapp: »Yunus hat ebenfalls ein Mitspracherecht, wenn es um Berna geht, er ist schließlich seit zehn Jahren wie ein Vater zu ihr«, und legte auf.
    Als er sah, daß Hafize, die direkt vor ihm stand, ihn immer noch mit einer Mischung aus Neugier und Kummer anschaute, wurde er ein wenig verlegen.
    »Entschuldigen Sie bitte, das war eine private Angelegenheit«, sagte er. Und dachte:
Jeder Mensch kann zum Mörder werden. Sogar ich
.

6
    »Ich geh dann«, sagte Gülsün, die Frau des Hausmeisters, die gerade den Wohnungsputz beendet hatte.
    »Alles klar, Gülsüm!«
    Behzat Ç suchte den Flaschenöffner in seinen Küchenschubladen und hatte die Schnauze voll davon, daß nach jedem Hausputz sämtliche Dinge, die er brauchte, sich nicht mehr da befanden, wo sie vorher waren. Nachdem er alle Gegenstände innerhalb von vierzehn Tagen nach seinen eigenen Maßstäben angeordnet hatte, kam Gülsün und

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