Bei Null bist du Tod
»Dann sprich mit mir, verdammt.«
»Das werde ich.« Er warf ihr einen gequälten Blick zu. »Aber nur mit dir, Jane. Und nicht jetzt.«
Ihre Augen verengten sich zu Schlitzen. »Was soll das heißen?«
»Ich werde es dir nicht sagen, ich werde dich mitnehmen. Und wenn wir fast da sind, darfst du die Polizei anrufen oder wen auch immer du willst. Nur nicht den Burgherrn.«
»Jock –«
»Nur du.«
»Und wirst du warten, bis die Polizei eintrifft, bevor du dir Reilly vornimmst?«
Er antwortete nicht.
Sie sah ihn frustriert an. »Jock, du kannst es nicht allein mit ihm aufnehmen.«
»Warum nicht? Ich weiß, was ich tun muss. Er hat es mir beigebracht.«
»Aber wir wissen nicht, wie viele von seinen Leuten bei ihm sind. Womöglich ist sogar Grozak da.«
»Ich weiß, was ich tun muss.«
Er sprach die Worte so einfach und so voller Selbstvertrauen aus, dass ihr ein kalter Schauer über den Rücken lief. Sein Gesichtsausdruck war gelöst und seine Augen waren so klar und ehrlich wie die eines Kindes.
»Hör zu, wenn du es nicht schaffst, dann wird Reilly alle warnen, und dann gelingt es uns vielleicht nicht, Grozak zu schnappen.«
»Grozak interessiert mich nicht.«
»Aber mich.«
»Und Mario auch. Aber ohne Reilly kann Grozak gar nichts tun. Ihr könnt ihn euch später vorknöpfen.«
»Und wenn uns das nicht gelingt?«
Er schüttelte den Kopf.
Verflucht, war der Junge stur. Und sie konnte ihm nicht mit Argumenten beikommen, weil er nur einen einzigen Weg sah und ein einziges Ziel vor Augen hatte. »Was würdest du tun, wenn ich nein sage? Wenn ich jetzt aufstehen, ins Haus gehen und Trevor und MacDuff erzählen würde, was dir alles wieder eingefallen ist?«
»Wenn du nein sagst, werde ich nicht mehr hier sein, wenn sie kommen, um mit mir zu reden.« Jock schaute zu den schneebedeckten Berggipfeln hinüber. »Ich weiß, wie man sich in den Bergen versteckt. MacDuff könnte mich vielleicht finden, aber für euch wäre das zu spät.«
»Jock, tu das nicht.«
»Nur du.«
Er meinte es ernst. Sein Gesichtsausdruck war die pure Entschlossenheit.
Schließlich gab sie nach. »Also gut. Wann?«
»Heute Nacht. Zieh dir etwas Warmes an. Wir werden vielleicht im Freien bleiben müssen. Kannst du dir die Autoschlüssel besorgen?«
»Das schaffe ich schon.« Sie stand auf. »Wir treffen uns um ein Uhr.«
Er nickte. »Ja, das passt gut. Und nimm eine Kreditkarte mit. Wir werden Sprit und andere Dinge brauchen.« Er sah sie besorgt an. »Bist du wütend auf mich?«
»Ja. Ich will das nicht tun. Ich habe Angst um dich.« Dann fügte sie hinzu: »Und um mich hab ich auch Angst, verdammt.«
»Dir wird nichts passieren. Das verspreche ich dir.«
»So etwas kann man nicht versprechen. Wir können doch nicht im Voraus wissen, was passieren wird.«
»Ich dachte, du würdest gern mitkommen. Ich kann auch allein gehen.«
»Nein, kommt nicht in Frage. Ich werde mir die Chance, ihn in die Finger zu kriegen, nicht entgehen lassen.« Sie machte sich auf den Weg zum Haus, dann drehte sie sich noch einmal um. »Aber ich werde eine Nachricht hinterlassen.« Als er etwas sagen wollte, fiel sie ihm ins Wort: »Versuch nicht, mich davon abzubringen. Ich werde nicht einfach ohne ein Wort von hier verschwinden und zulassen, dass sich alle Sorgen um uns machen. Es wird deine Pläne nicht durchkreuzen. Schließlich hast du mir nichts erzählt, womit die etwas anfangen könnten.«
»Du hast Recht«, sagte er langsam, als er auf den Bootssteg zuging. »Und ich möchte auch nicht, dass sich jemand Sorgen macht.«
»Dann gib deinen Plan auf.«
Er reagierte nicht.
Nein, er wollte niemandem Sorgen bereiten, doch er war bereit, eine Bombe zu zünden, dachte Jane unterwegs zum Haus.
Okay, sie durfte sich ihre Angst und ihre Nervosität jetzt nicht anmerken lassen. Deshalb würde sie einfach so lange draußen bleiben, bis es Zeit war, ins Bett zu gehen. Unauffällig warf sie einen Blick auf den Wagen, der neben dem Haus stand. Garantiert würde sie jemand hören, wenn sie mitten in der Nacht aufbrachen.
Na ja, dann würde es ohnehin zu spät sein, um sie aufzuhalten.
Sie musste die Panik unterdrücken, die ihr bei dem Gedanken in die Glieder fuhr. Zumindest unternahmen sie etwas, das sie ihrem Ziel, Reilly aufzuspüren, näher brachte. Jock hatte versprochen, dass er ihr erlauben würde, Hilfe herbeizurufen, sobald sie einen bestimmten Ort erreicht hätten.
Außerdem hatte er ihr versprochen, dass ihr nichts zustoßen würde.
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