Bei Null bist du Tod
waren es aber noch viel mehr. Das ist die einzige Erinnerung, die er sich erlaubt.«
»Mein Gott.«
»Es war nicht seine Schuld«, sagte MacDuff barsch. »Wenn Sie ihn als Jungen gekannt hätten, würden Sie das verstehen. Er war ein absoluter Wildfang, hatte jedoch ein freundliches Gemüt. Schuld ist Reilly, dieser verfluchte Hurensohn.«
»Er kann doch nicht älter als neunzehn sein«, flüsterte sie.
»Zwanzig.«
»Und wie …?«
»Wie gesagt, er war ziemlich wild. Mit fünfzehn ist er von zu Hause abgehauen, um es allen zu zeigen. Ich weiß nicht, wann und wo er Reilly über den Weg gelaufen ist. Doch vor nicht allzu langer Zeit kam seine Mutter zu mir und bat mich, ihren Sohn zurück nach Hause zu holen. Er steckte in einem Heim in Denver, Colorado. Die Polizei hatte ihn an einem Highway in der Nähe von Boulder aufgegriffen. Ohne Papiere. Und sie konnten nichts aus ihm herausbringen. Er war schon zwei Wochen in dem Heim, bevor er das erste Mal den Mund aufgemacht hat. Er wollte Stift und Papier, um seiner Mutter zu schreiben. Einen Abschiedsbrief. Sie war völlig durchgedreht, als sie zu mir kam und mich anflehte, ihn nach Schottland zu holen. Sie hatte Angst, er könnte sich das Leben nehmen.«
»Warum hat sie ihn nicht selbst hergebracht?«
»Ich bin der Burgherr. Die Leute sind es gewohnt, sich in Notfällen an mich zu wenden.«
»Und warum ist sie nicht zu Ihnen gekommen, als er von zu Hause abgehauen ist?«
»Damals war ich im Ausland. Ich war in Neapel, um Geld für die Burg aufzutreiben.« Er presste die Lippen zusammen. »Ich hätte hier sein sollen. Beinahe wäre ich zu spät gekommen. Als ich im Krankenhaus eintraf, hatte er sich schon ein Rasiermesser geschnappt und war dabei, sich die Pulsadern aufzuschneiden. Er war kaum noch zu retten.«
»Was haben Sie getan?«
»Na, was glauben Sie denn wohl? Er war einer meiner Leute. Ich habe eine Hütte in den Bergen gemietet und dort einen ganzen Monat mit ihm verbracht. Ich habe ihn gehalten, wenn er getobt und geheult hat. Ich habe mit ihm geredet, bis er angefangen hat, mit mir zu sprechen.«
»Hat er Ihnen erzählt, was mit ihm passiert war?«
MacDuff schüttelte den Kopf. »Nur Bruchstücke. Seine Gedanken kreisten ständig um Reilly, aber er war sich nie ganz sicher, ob er Gott oder Satan in ihm sehen sollte. Was auch immer er für Jock dargestellt haben mag, er beherrschte und bestrafte ihn. Und er hatte absolute Kontrolle über Jock.«
»Gehirnwäsche? Trevor hat mir berichtet, dass Reilly das mit den GIs gemacht hat.«
»Offenbar hat er diesmal tiefenpsychologische Experimente durchgeführt. Wie macht man aus einem gutmütigen Jungen wie Jock einen Killer? Drogen? Schlafentzug? Folter? Hypnose? Indem man seine Gefühle ausnutzt? Oder eine Mischung aus all dem? Reilly hat Jock in allen Formen des Tötens ausgebildet und dann mit Aufträgen losgeschickt. Es muss ziemlich schwierig gewesen sein, bei einer solchen Mordserie die Kontrolle über Jock zu behalten. Reilly ist verflucht clever.«
»Und ein Monster.«
»Zweifellos. Und Monster haben kein Recht, am Leben zu bleiben. Aber das wird er auch nicht mehr lange. Ich habe mit Trevor eine Abmachung getroffen. Ich kriege Reilly. Alles andere interessiert mich nicht.«
Jane kam ein Gedanke. »Warum Jock? Das ist doch ein eigenartiger Zufall, dass Reilly sich ausgerechnet ihn aussucht.«
»Das war absolut kein Zufall. Ich habe nie ein Geheimnis daraus gemacht, dass ich auf der Suche nach Ciras Gold bin. Diese Geschichte im Internet hat mich genauso neugierig gemacht wie andere Leute auch. Der Schatz am Ende des Regenbogens. Die Antwort auf meine Gebete. Ich habe in den vergangenen drei Jahren fünf Reisen nach Herkulaneum unternommen und irgendwie muss Reilly Wind davon bekommen haben. Trevor meint, Reilly beobachtet jeden mit Argusaugen, der das Gold möglicherweise vor ihm finden könnte. Er ist regelrecht besessen von diesen Goldmünzen, und wahrscheinlich wollte er herausfinden, ob ich etwas Wichtiges in Erfahrung gebracht habe. Jock ist in der Burg ein und aus gegangen, bevor er auf die Idee kam, abzuhauen und die Welt zu erobern. Wen hätte Reilly besser ausfragen können?« Seine Lippen spannten sich. »Wahrscheinlich hat er ihn irgendwo aufgespürt, um ihm ein paar entscheidende Fragen zu stellen; und als Jock ihm keine befriedigenden Antworten geben konnte, hat er sich den Jungen auf andere Weise zunutze gemacht.«
»Und jetzt machen Sie Jagd auf Reilly. Konnte Jock Ihnen
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