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Bei Rotlicht Mord

Bei Rotlicht Mord

Titel: Bei Rotlicht Mord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Léo Malet
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lassen. Wenn Sie es sehen wollen... Im Flur führt eine
Treppe nach oben in die erste Etage. Es ist die erste Tür rechts. Es stört Sie
doch nicht, alleine hinaufzugehen? Ich schone meine Beine, sooft ich kann.“
     
    * * *
     
    Ein Sofa, ein einzelner Stuhl, ein
kleiner Schrank, ein Tisch und ein eingebautes Bücherregal möblierten das
Zimmer. An der Wand hing zwischen zwei Bildern hinter Glas ein gerahmtes Foto,
von dem mir ein Mädchen von etwa fünfzehn Jahren entgegenlächelte. In dem
Lächeln des Kindes steckte bereits das der jungen Frau...
    Die Sachen, die aus der Rue
Saint-Benoît stammten („Lauter alter Kram!“), lagen durcheinander unten in dem
Schrank. Ein richtiger Flohmarkt, der allerdings auch den optimistischsten
Trödler zur Verzweiflung hätte bringen können. Da lag eine kaputte Puppe neben
einem Strumpfhalter, einigen Zeitschriften und einer Menge anderem Zeug. Ein
Schuhkarton enthielt verschiedene Schlüssel, einige davon mit einem Bindfaden,
andere mit einem Reklameanhänger versehen, und alle mehr oder weniger rostig.
Alte Schlüssel verlorener Schlösser! Man konnte darüber in poetische
Träumereien geraten. Der ganze Plunder mußte aus der Mädchenzeit der Toten
stammen. Wahrscheinlich hatte die Kleine Schlüssel gesammelt wie andere Kinder
Kronkorken. Auch originelle Schlüsselringe mußten sie interessiert haben. Ich
fand ungefähr zehn Exemplare in einer staubigen Schrankecke.
    Einer abgegriffenen Mappe entnahm ich
einen Stapel Briefe und Fotos. Auf gut Glück fischte ich einen Brief heraus und
überflog seinen Inhalt. Auf den ersten Blick war nichts für mich dabei. Die
Fotos zeigten Personen beiderlei Geschlechts, einzeln und in Gruppen. Eine
ansehnliche Menge männlicher Vertreter... Mehr Männer als Frauen... Na ja, bis
jetzt war es das Beste, was ich in Händen hielt.
    Ich klemmte mir die Mappe unter den
Arm und ging wieder hinunter zu Madame Pellerin.
    „Ich möchte Sie bitten, mir dies hier
zu überlassen, Madame, damit ich es mir in Ruhe ansehen kann“, sagte ich und
legte die Mappe vor sie auf den kleinen Tisch. „Es handelt sich um Briefe
relativ jüngeren Datums und um Fotos. Die Flics haben sicherlich schon einen
Blick darauf geworfen und das, was wichtig ist, an sich genommen. Aber man kann
nie wissen, vielleicht haben sie etwas übersehen.“
    „Tun Sie, was Sie für richtig halten“,
sagte sie.
    Die Mappe lag geöffnet vor ihr. Madame
Pellerin setzte ihre Brille auf, nahm einen Brief heraus und begann zu lesen.
Dann legte sie ihn wortlos wieder zu den anderen. Dabei fielen einige Fotos aus
der Mappe. Sie legte sie vor sich hin, so als wären es Tarockkarten, aus denen
sie mir die Zukunft lesen wolle.
    „Ah, das ist Henri Dolguet“, sagte
sie.
    Das Foto sah ziemlich mitgenommen aus.
Es war in der Mitte geknickt, doch das Wichtigste davon hatte überlebt. Ich
meine das Gesicht des Mannes, der zu seinen Lebzeiten nicht grade sehr viel
hergemacht zu haben schien: ein schmächtiges Kerlchen, eins von denen, die den
Frauen jedoch gefallen. Das Sprechendste an ihm waren die schmachtenden Augen
in seinem femininen Gesicht. Als Ergänzung dazu und zur Abrundung des
Gesamtbildes trug er unter seinem gutgeschnittenen Jackett eine Weste im
Schottenmuster mit Aufschlägen und Perlmuttknöpfen. Alles, was einen Dandy und
Lackaffen ausmacht! Wirklich schade, daß er tot war. Ich hätte ihn liebend
gerne in den Hintern getreten.
    Mit diesen unchristlichen Gedanken
schob ich die Fotos in die Mappe. Da Madame Pellerin mir offenbar nichts mehr
zu sagen hatte, klemmte ich meine Beute unter den Arm, nahm meinen Hut und
verabschiedete mich. Trotz meines Protestes bestand die gebrechliche alte Frau
darauf, mich zur Tür zu begleiten. Auf dem Weg nach draußen sagte ich zu ihr:
    „Als ich eben hierherkam, bin ich
einer Floride begegnet, in der jemand saß, den ich kenne: Olga
Maîtrejean, eine Schauspielerin vom Fernsehen...“
    „Eine sehr nette Frau“, stellte Madame
Pellerin fest. „Sie war bei mir. Schuldete meinem kleinen Mädchen Geld, und da
hat sie gedacht... Wirklich sehr nett von ihr...“ Sie schwieg eine Weile und
fuhr dann mit veränderter Stimme fort, die von weither zu kommen schien: „Sie
waren alle sehr nett, die Kollegen meiner Tochter. Warum soll ich es
verschweigen? Sie wußten über meine schlechte finanzielle Situation Bescheid...
Haben eine kleine Sammlung veranstaltet...“
    „Und Olga Maîtrejean hat Ihnen das
Geld gebracht, das dabei zusammengekommen

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