Bei Rotlicht Mord
sagte Angela mit tonloser Stimme. „Ich verdanke ihr alles. Ohne sie
wäre ich jetzt eine... eine... Hure. Deshalb will ich nicht, daß ihr Name
beschmutzt wird. Das werde ich nicht zulassen! Ich hab mir geschworen, es nicht
zuzulassen! Was geht mich die Moral an und die Gewinne und Verluste der
Versicherungsgesellschaften? Ich bitte Sie deshalb, die ganze Sache zu
vergessen, so zu tun, als wären wir uns nie begegnet, und mir den wertlosen
Schmuck zu überlassen.“
„Und wenn ich mich weigere? Werden Sie
mich dann über den Haufen schießen?“ scherzte ich, bereit, mich unter den Tisch
zu werfen; denn genau solche Scherze lösen manchmal ein wahres Feuerwerk aus.
Doch die Kanone schien ihr schwer zu
werden. Der Revolverlauf war nicht mehr direkt auf mich gerichtet und verlor so
an Gefährlichkeit. Angela starrte mich an, als sähe sie mich zum ersten Mal.
Ihre haselnußbraunen Augen bekamen einen dunklen Schimmer und unsäglicher
Schmerz zeichnete sich auf ihrem hübschen Gesicht ab. Sie schüttelte traurig den
Kopf und stammelte:
„Ich... Nein, ich... glaube nicht.“
Plötzlich schrie sie „Nein!“, drehte
sich um, ohne den Revolver loszulassen (war sie sich überhaupt bewußt, daß sie
ihn immer noch in der Hand hielt?), ließ sich verzweifelt schluchzend in einen
Sessel fallen und verbarg ihr Gesicht in der Armbeuge.
Ich wartete ein paar Sekunden und ging
dann zu ihr. Sie fuhr hoch und packte mich an meiner Hemdbrust. Ihre Finger
gruben sich in den Stoff. Der Revolver war verschwunden, wahrscheinlich saß sie
darauf. Ich würde ihn später suchen.
„Verloren“, stöhnte sie, „ich habe im
letzten Moment verloren... Oh, ich flehe Sie an... Ich flehe Sie an...“
„Ein Schuß hätte die Probleme von
Madame Alderton nicht gelöst“, sagte ich.
Ich hatte wirklich das Gefühl, mich
entschuldigen zu müssen. Beinahe hätte ich sie gebeten, mir eine Kugel in den
Kopf zu jagen, wenn ich sie damit hätte trösten können. Behutsam löste ich ihre
Finger von meinem Hemd.
„Kommen Sie, beruhigen Sie sich“,
sagte ich. „Was den Schmuck angeht, werden wir schon eine Lösung finden.“
„Oh, ich hasse ihn“, schluchzte Angela
und bearbeitete das Kissen. „Und Sie, Sie hasse ich auch!“
Sie stammelte noch ein paar
undeutliche Worte und weinte dann leise vor sich hin. Wie eine Flasche, die
langsam geleert wird. Ich stand hilflos vor ihr. Die Tränen liefen lautlos über
ihr Gesicht, ich sagte auch nichts, und so herrschte totale Stille in der
Wohnung.
In diesem Augenblick glaubte ich etwas
im Korridor zu hören. Es blieb mir keine Zeit nachzusehen, ob ich mich
getäuscht hatte. Die Tür wurde aufgerissen, und zum zweiten Mal an diesem Abend
forderte man mich auf, die Hände hochzuheben. Entweder hatte ich die
Wohnungstür nicht richtig geschlossen, oder aber der neue Gast wußte, wie man
ein Schloß verführte. Die zweite Möglichkeit erschien mir wahrscheinlicher.
Der neue Gast war Vivonnet, der Mann
mit der Karnevalsmaske. Allerdings trug er sie jetzt nicht. Dafür hielt er eine
nagelneue Mauserpistole in der Hand. Das Modell war der letzte Schrei (den man
ausstößt, wenn die Pistole gesprochen hat!). Der Gangster stand im Türrahmen
und pfiff anerkennend durch die Zähne, als er den Schmuck auf dem Tisch liegen
sah. Er machte einen Schritt darauf zu. Offenbar war er alleine gekommen. Wie
ein erwachsener Mann, der mit dem Dienstmädchen der Nachbarn ausgeht.
„Man könnte meinen, ich würde einen
Ehekrach stören“, lachte er mit ironischer Besorgnis. „Entschuldigen Sie! Los,
Burma, in die Ecke mit dir, und keine Bewegung!“
Ich gehorchte mal wieder. Was hätte
ich auch sonst tun können? Helden sehen alt aus, und ich empfand kein
besonderes Verlangen danach, meine Hosen herunterzulassen, wenn ich das mal so
sagen darf. Es gibt eben Situationen, in denen man sich fügen muß. Sicher, als
Sieg kann man so etwas nicht verkaufen...
Vivonnet wandte sich Angela zu:
„Und du Heulsuse, du bleibst ganz brav
da sitzen, wo du sitzt. Und versuch nicht, mich zu verführen! Später kannst du
mir dann ja erzählen, wo dich der Schuh drückt... Oh, was sehe ich denn da?
Eine Handtasche! Bei den Dingern weiß man nie, was drin ist!“
Er ging zum Tisch, nahm die Tasche und
schleuderte sie in eine Ecke. Ein vorsichtiger Mensch, dieser Vivonnet.
Vorsichtig und schlau. Zum Totlachen!
„Na, Burma“, fuhr er mit einem Blick
auf den Schmuck fort, „was hab ich gesagt? Ich hatte recht, was? Du
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