Beiß mich, wenn du dich traust
umsonst.«
Sunny bricht in Tränen aus. »Aber Magnus . . .
mein Freund . ..«
»Es tut mir leid, Sunny. Es geht nicht anders«, beschwichtigt Heather sie. Dann steht sie auf.
»Ich muss los. Der Hubschrauber wartet. Wir geben euch Bescheid, sobald wir können.« Sie streckt die Arme aus, um mich und Sunny zu umarmen. Meine Schwester weicht wütend zurück und starrt stur auf ihre Hände. Heather seufzt. »Ich weiß, dass du sauer bist«, sagt sie.
»Aber du musst mir vertrauen. Wir wollen nur euer Bestes.«
Mit diesen Worten geht sie und lässt Sunny und mich allein zurück, umringt von unzähligen Kisten, vollgestopft mit unseren Sachen.
Kaum hat Heather die Tür hinter sich geschlos-sen, wirft sich meine Schwester aufs Bett und heult los. Ich weiß genau, wie sie sich fühlt. Die Situation ist wirklich megabeschissen. Ich kann nicht fassen, dass sie uns in irgendein unheim-liches Vampirjäger-Internat verbannt haben, wo es kein Telefon und, da bin ich mir sicher, auch keinen Internetzugang gibt. Was soll ich denn hier Sinnvolles tun? Ich bin schließlich eine Jägerin, verdammt noch mal. Aber das scheint jetzt plötzlich wohl völlig egal geworden zu sein.
Ganz zu schweigen davon, dass ich noch etwas anderes bin, nämlich ein ...
Ich schlucke. Ein Vampir. Ein Vampir, der jetzt in einer Schule voller Vampirjäger lebt. Okay, sie sind streng genommen Jäger-Azubis, aber trotz-dem. Wenn sie herausfinden, dass die Neue in Wirklichkeit ein blutsaugendes Geschöpf der Nacht ist, werde ich wohl eher nicht zur nächsten Schulball-Queen gewählt werden. Und meine Unsterblichkeit ist dann auch ganz schön gefährdet.
Apropos Blutsauger, da fällt mir noch etwas viel Schlimmeres ein. Ich habe, seit Jareth mich im Frühling verwandelt hat, von Kunstblut gelebt.
(Echtes Blut ist einfach zu eklig für mich als Vegetarierin.) Nie und nimmer werden sie in einer Schule für Vampirjäger irgendeine Art von Blutersatz auf Lager haben, oder?
Was bedeutet, dass ich entweder innerhalb der ersten Woche verhungern werde oder dazu übergehen muss, mir das echte Zeug zu beschaf-fen. Und ich schätze, von seinen Mitschülern zu naschen, ist nicht gerade die beste Methode, Freunde zu finden.
Ich bin so was von erledigt.
5
Meine Grübeleien werden von einem lauten, gequälten Schrei auf der anderen Seite des Zimmers unterbrochen. Zwei Sekunden später hocke ich auf dem Bett meiner Schwester und ziehe sie in meine innigste Zwillingsumarmung.
»Bist du okay?«, murmele ich und drücke sie fest.
»Natürlich bin ich nicht okay!«, schluchzt sie an meiner Schulter. Ich tätschele ihren Rücken und versuche, nicht an ihre Schniefnase zu denken, die gerade auf meinen feinen Pulli mit dem Spinnwebmuster tropft. »Jetzt hatte ich ihn endlich von Jane losgeeist. Und ich habe seinet-wegen Jayden aufgegeben. Wir hätten zusammen nach Hause fahren und glücklich sein sollen, bis dass der Tod uns scheidet. Das ist alles so was von unfair.«
Verdammt. Ich stoße sie weg. Das hätte ich mir denken können. Während ich hier Rotzflecken ertrage und mich sorge, weil meine Existenz auf diesem Planeten schon bald ein sehr gewaltsames (oder sehr hungriges) Ende finden könnte, inte-ressiert sich meine liebe Schwester mal wieder nur für ihr Liebesleben.
Eigentlich sollte mich das nicht weiter über-raschen. Ich habe schließlich mitbekommen, wie fertig sie war, als sie gestern Abend vergeblich versucht hat, Magnus zu erreichen. Dieses Mädchen kann es nicht einmal ertragen, während eines fünfstündigen Fluges keine Verbindung zu ihm zu haben. Und jetzt muss sie der Möglichkeit ins Auge sehen, Magnussis süße, süße Stimme fast ein Jahr lang nicht zu hören und auch sein wunder-wunderhübsches Gesicht nicht erblicken zu dürfen.
Auf einmal merke ich, dass sie mich böse anfunkelt - ich muss sie wohl ein wenig fester geschubst haben als beabsichtigt. Ich hab zwar keine vampirischen Superkräfte, aber nachdem ich bei den Cheerleader eingetreten bin, habe ich schon angefangen, ziemlich viel in der Sporthalle der Oakridge Highschool zu trainieren. »Tut mir leid, Sun«, sage ich achselzuckend. »Ich weiß, es ist ätzend. Aber was sollen wir machen?«
Sie wirft sich wieder aufs Bett, starrt an die Decke und bebt vor Schluchzen. »Das
Schlimmste ist, dass er nicht einmal weiß, wo ich bin. Und warum ich nicht nach Hause komme.
Am Ende denkt er noch, ich hätte es mir anders überlegt. Dass ich doch mit Jayden abgehauen bin oder so was.«
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