Beiß mich, wenn du dich traust
bringen.« Sie blickt zu dem anderen Bett hinüber und mir dämmert plötzlich, dass der Hügel unter den Decken meine Schwester sein muss.
Im gleichen Moment fährt Sunny ruckartig auf.
»Wo bin ich?«, ruft sie und sieht sich um. Ihr von Tränen verschmiertes Gesicht ist weiß vor Angst.
Heather winkt sie zu meinem Bett herüber.
»Dieser Ort hier heißt Achtal«, erklärt sie. »Er liegt tief verborgen in einem entlegenen Tal, eingebettet in eine Gebirgskette in den Alpen, und nur eine Handvoll Leute weiß von seiner Existenz.«
Ich starre sie an, mehr als verblüfft. Das heißt, wir sind nicht nur nicht mehr in Vegas, wir sind nicht einmal mehr in den Vereinigten Staaten?
Dieser Elfenstaubmist muss mich ja weggeknallt haben wie sonst was.
»Dies ist eine Art Internat«, fährt Heather fort, als Sunny sich zu uns aufs Bett setzt. »Geführt von Slayer Inc. Hier bereiten sie Jugendliche darauf vor, Jäger zu werden. Auftragskiller, die Wesen aus anderen Welten, die die Gesetze nicht befol-gen, überwachen und eliminieren.« Sie sieht mich vielsagend an. »Aber das ist dir nicht neu, Rayne, stimmt's?«
Okay, damit wäre die Frage geklärt, ob sie weiß, dass ich eine Jägerin bin. Aber weiß sie auch von . . . meinem anderen Zustand? Teifert weiß es, aber er hat Stillschweigen geschworen. (Nicht jeder in der Organisation wäre darüber erfreut, ei-ne Vampir-Vampirjägerin als Mitarbeiterin zu haben.)
Ich beschließe, lieber nicht zu fragen, sicher ist sicher.
»Eine Schule für Dämonen-und Vampirjäge-rinnen?«, fragt Sunny fassungslos. »Aber es heißt doch, dass in jeder Generation nur eine Jägerin geboren wird, eine Auserwählte, die dazu bestimmt ist, Vampire zu erlegen?«
»Genau, das würde eine ziemlich kleine Ab-schlussklasse ergeben«, füge ich hinzu.
Heather gluckst. »Diese Theorie ist aus rein praktischen Gründen vollkommen überholt«, erklärt sie. »Die Zweitwelt hat sich im Laufe der Jahre ungemein ausgedehnt. Und es ist einfach unrealistisch, nur eine einzige Jägerin auf der Ge-haltsliste zu haben.«
»Halt, warte«, unterbreche ich sie. »Erstens bin ich nie bezahlt worden. Und zweitens bin ich nie auf irgendeine Schule gegangen.«
»Wegen der ... besonderen Umstände habe ich damals beschlossen, dass es sicherer für dich wäre, zu Hause ausgebildet zu werden, wo deine Mutter dich im Auge behalten konnte«, erwidert Heather. »Also hat unser geschäftsführender Vizepräsident, Charles Teifert, sich bereit erklärt, dich als Sonderschülerin anzunehmen.«
Ich ziehe eine Grimasse. »Wie nett von ihm.«
»Und warum hast du uns dann hierher gebracht?«, will Sunny wissen. »Warum sind wir jetzt in einer Vampirjäger-Schule?«
Die Frage scheint Heather zu überraschen. »Weil es der beste Platz ist, um euch vor den Elfen zu verstecken. Bis eure Eltern alles geregelt haben.«
Ich will gerade erneut protestieren, als es an der Tür klopft. »Herein«, sagt Heather und gleich darauf betritt ein großer, stämmiger Mann mit lauter Kartons im Arm den Raum. »Wo soll ich die hinstellen?«, fragt er unsere Stiefmutter.
Heather deutet auf eine leere Ecke. »Dorthin, bitte. Die Mädchen können sie später nach und nach auspacken.«
Meine Augen werden groß, als der Mann seine Fracht abstellt und Diego, meine Plüschfleder-maus, aus der obersten Schachtel purzelt. »Sind das unsere Sachen?«, rufe ich. Gleichzeitig trifft mich die Erkenntnis mit der Wucht eines Zehn-Tonnen-Lasters. »Du hast all unsere Sachen mit-genommen? Was soll das? Wie lange werden wir hier festsitzen?«
Heather zuckt die Achseln. »Das kann ich euch wirklich nicht sagen. Ein paar Wochen? Einige Monate? Hoffentlich weniger als ein Jahr.« Sie sieht mich mitfühlend an. »Bedauerlicherweise gibt es an den Sidhe-Höfen ein Übermaß an Bürokratie. Manche Konflikte können sich ziemlich in die Länge ziehen.«
»Wo ist mein Handy?«, fragt Sunny nervös dazwischen. »Ich muss telefonieren.«
»Tut mir leid«, sagt Heather. »Keine Handys, keine Telefone hier. Wir sind meilenweit weg von irgendwelchen Mobilfunkstationen und auf dem Gelände gibt es auch keine Festnetzleitungen.«
Sunny glotzt sie fassungslos an. »Was?!«
»Es ist besser so«, versichert uns unsere Stiefmutter. »Niemand darf erfahren, dass ihr hier seid. Nicht einmal die, denen ihr glaubt, vertrauen zu können. Wenn etwas zum Hof durchsickert, würden sie sofort kommen und euch entführen.
Und all die Verhandlungen eurer Eltern wären
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