Bekehrung: Ein Eifel-Krimi (Eifelkrimis) (German Edition)
werden! Der Arm sieht gebrochen aus. Und Sie da oben, mein Herr, machen Sie doch bitte die grelle Beleuchtung wieder aus.«
Herr Tillmanns gehorcht.
Plötzlich ist der Raum in angenehm gedämpftes Licht getaucht. Wäre er nicht fensterlos, würde er wie ein ganz normales belgisches Wohnzimmer aussehen.
Tillmanns eilt die Stufen hinunter. Ich wehre ab, als er mir aufhelfen will. »Jemand anderes braucht Sie dringender!«
»Wo ist Babette?«, fährt Marcel die zierliche Gestalt im Mammutsessel an.
Ohne sich weiter zu rühren, deutet Frau Lambert mit dem Daumen zu dem Paravent hinter sich.
»In Jean-Maries Bett. Da, wo sie immer hinwollte. Schon als Kind.«
Marcel steckt die Pistole weg, schnappt sich die Wasserflasche vom Tischchen und verschwindet hinter dem Raumteiler.
Der freikirchliche Pastor stiefelt hinterher und murmelt vor sich hin: »Das gibt’s doch nicht. Ein Eremit mit zwei Frauen …«
»Wer ist das denn?« Christine Lambert zeigt sich so indigniert, als wäre ein Fremder in ein Kaffeekränzchen hereingeplatzt, ohne sich vorzustellen.
»Pastor Tillmanns.« Ich rappele mich mühsam auf, schleppe mich zu der riesigen Ledercouch an ihrer Seite und lasse mich vorsichtig darauf nieder. Dafür, dass mein rechter Arm nicht mehr zu meinem Körper gehört, schmerzt er höllisch.
»Ein Priester? Etwa für die Letzte Ölung? Dafür ist es leider noch zu früh.« Christine hebt die Schultern. »Aber ich habe den Beweis erbracht. Die Frau ist sterblich.«
Unverständliches Geflüster hinter der Abtrennung. Wie Marcel Herrn Tillmanns die Lage im Schnelldurchlauf verständlich machen will, ist mir rätselhaft. Aber Pastoren sind Kummer gewohnt. Und dass er spontan Schäfchen retten und mit Ungeheuern umgehen kann, hat Tillmanns ja bereits eindrucksvoll bewiesen.
»Nur den Mund nass machen; sie soll noch nicht trinken«, ruft Marcel ihm zu und sprintet gleich danach an uns vorbei zum Bunkerausgang. Klar, hier unten sind Handys nutzlos.
An der Treppe dreht er sich zu Christine Lambert um.
»Wo ist Babettes Pistole?«
»Die hat Claire. Sie wird die brauchen können, da, wo sie jetzt gebraucht wird.«
»Wo ist das? Wo ist Frau Maraite?«
»Ihrem Zugriff entzogen, Herr Polizeiinspektor. Sie dürfen sich an mir rächen und mich einsperren. Auge um Auge, so steht es doch geschrieben, nicht wahr, Herr Pastor?«
Die letzten Worte richtet sie lauter an den Paravent.
Von dahinter tönt es vorwurfsvoll: »Die Rache ist mein, spricht der Herr.«
»Und ich bin sein Werkzeug«, entgegnet Christine Lambert gelassen. Sie steht auf, zieht sich den Seidenschal vom Hals und beugt sich zu mir hin. Ich versuche, sie mit meiner linken Hand abzuwehren, und sinke tiefer in das Lederpolster hinein.
»Beugen Sie sich lieber vor, Frau Klein, damit ich Ihnen das Tuch um den Nacken legen kann.«
Mir muss der Schreck ins Gesicht geschrieben sein.
»Eine Schlinge machen, meine Liebe, damit der Arm einigermaßen stabilisiert ist, bis Hilfe da ist. Ein Dreieckstuch wäre besser, aber das hier geht auch.«
Viel Zeit bleibt uns nicht, bis Marcels deutsche Kollegen vom Sippenhof ausgeschwärmt und im Bunker angekommen sein werden. Hinter dem Raumteiler benetzt Herr Tillmanns Babettes Lippen. Er spricht ruhig auf die Frau ein, von der nur leichtes Stöhnen und abgehackte Worte zu vernehmen sind. Der Mann scheint wirklich für extreme Situationen geschaffen zu sein. Babette klingt, als sei sie bei Bewusstsein.
Deshalb wohl hat Christine jetzt ihre Stimme erhoben. Die hinter uns verdurstende Frau soll hören, was sie mir zu sagen hat, während sie mich so fachgerecht wie möglich verarztet.
»Mein Bruder ist in Versuchung geführt worden«, sagt sie. »Aber nicht von Babettes Körper und auch nicht von ihrem Kopf, wie sie so gern glauben möchte.«
»Von was dann?«, frage ich.
»Von ihren Dämonen.«
Diese Dämonen, führt Christine Lambert aus, hätten Babette erst dazu gebracht, ihr Elternhaus anzuzünden und dann die Sünde ins Pfarrhaus zu bringen.
»Sie ist vom Bösen besessen, Frau Klein! Mein Bruder hätte ihr die Dämonen austreiben sollen …«
»Exorzismus?«, werfe ich entgeistert ein.
»Nicht der Quatsch, den Sie aus dem Fernsehen kennen«, empört sich Christine. »Das ist eine ganz reale Sache und sehr nützlich, wenn man besessen ist. Aber mein Bruder wollte nichts davon wissen. Er glaubte nicht an Dämonen. Hatte Mitleid mit dem Mädchen, obwohl er wusste, was sie getan hat. Er werde der armen Seele helfen,
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