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Bekenntnisse Des Hochstaplers Felix Krul

Bekenntnisse Des Hochstaplers Felix Krul

Titel: Bekenntnisse Des Hochstaplers Felix Krul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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…« Und dann entschloß ich mich zu einem Haupt- und Daueranfall so furchtbaren Würgekrampfes, daß es aussah, als sollte ich überhaupt nicht wieder zu Atem kommen. Meine Mutter hielt mir den Kopf und rief mich wiederholt mit ängstlichem und dringlichem Tone bei Namen, um mich zu mir zu bringen. »Ich schicke zu Düsing!« rief sie vollkommen überwältigt aus, wenn meine Glieder sich endlich zu lösen begannen, und lief hinaus. Erschöpft, doch mit einem Gefühl unbeschreiblicher Freude und Genugtuung sank ich in die Kissen zurück.
    Wie oft hatte ich mir eine solche Szene ausgemalt, wie oft mich im Geiste darin geübt, bevor ich mir Mut faßte, mich in Wirklichkeit damit sehen zu lassen! Ich weiß nicht, ob man mich versteht, aber vor Glück glaubte ich zu träumen, als ich sie zum erstenmal praktisch ausgeführt und einen vollen Erfolg damit erzielt hatte. Dergleichen tut nicht jeder. Man träumt wohl davon, aber man tut es nicht. Wenn jetzt etwas Erschütterndes mit mir geschähe, denkt wohl der Mensch. Wenn du ohnmächtig niederstürztest, wenn Blut aus deinem Munde bräche, Krämpfe dich packten – wie würde dann auf einmal die Härte und Gleichgültigkeit der Welt sich in Aufmerksamkeit, Schrecken und späte Reue verkehren! Aber der Körper ist zäh und stumpfsinnig dauerhaft, er hält aus, wenn die Seele sich längst nach Mitleid und milder Pflege sehnt, er gibt die alarmierenden und handgreiflichen Erscheinungen nicht her, die jedem die Möglichkeit eigenen Jammers vor Augen rücken und der Welt mit fürchterlicher Stimme ins Gewissen reden. Und nun hatte ich sie hergestellt, diese Erscheinungen, und sie zu so voller Wirkung geführt, als sie nur immer hätten ausüben können, wenn sie ohne mein Zutun hervorgetreten wären. Ich hatte die Natur verbessert, einen Traum verwirklicht, – und wer je aus dem Nichts, aus der bloßen inneren Kenntnis und Anschauung der Dinge, kurz: aus der Phantasie, unter kühner Einsetzung seiner Person eine zwingende, wirksame Wirklichkeit zu schaffen vermochte, der kennt die wundersame und träumerische Zufriedenheit, mit der ich damals von meiner Schöpfung ausruhte. Eine Stunde später kam Sanitätsrat Düsing. Er war unser Hausarzt seit dem Tode des alten Doktor Mecum, der meine Geburt bewerkstelligt hatte, – ein langer Mann von schlechter, gebückter Haltung, und mit aufrechtstehendem eselgrauem Haar, der in fortwährender Abwechslung seine lange Nase zwischen Daumen und Zeigefinger hindurchzog und sich die großen, knochigen Hände rieb. Dieser Mensch hätte mir wohl gefährlich werden können, – nicht durch seine ärztlichen Fähigkeiten, um die es, glaube ich, dürftig bestellt war (und gerade der bedeutende Arzt, welcher der Wissenschaft mit Ernst und Geist um ihrer selbst willen und als Gelehrter dient, ist sogar am leichtesten zu täuschen), wohl aber durch die plumpe Lebensklugheit, die ihm, wie so vielen untergeordneten Charakteren, eigentümlich war und in der seine ganze Tüchtigkeit beruhte. Dumm und streberisch, hatte dieser unwürdige Jünger des Äskulap sich den Sanitätsratstitel durch persönliche Verbindungen, Weinhausbekanntschaften und Protektionswesen verschafft und fuhr häufig nach Wiesbaden, wo er bei Amte seine weitere Auszeichnung und Förderung betrieb. Kennzeichnend für ihn war, daß er, wie ich aus eigenem Augenschein wußte, in seinem Wartezimmer nicht Ordnung und Reihenfolge hielt, sondern dem vermögenden und angesehenen Besucher vor dem länger wartenden schlichten ganz offenkundig den Vortritt ließ; wie er denn wohlsituierte und irgendwie einflußreiche Patienten mit übertriebener Besorgnis und Wehleidigkeit, arme und geringe dagegen barsch und mißtrauisch behandelte, ja ihre Klagen womöglich als unbegründet zurückwies. Meiner Überzeugung nach wäre er zu jedem falschen Zeugnis, jeder Verderbnis und Durchstecherei bereit gewesen, wenn er geglaubt hätte, sich bei der Obrigkeit dadurch beliebt zu machen oder sich sonst den bestehenden Mächten als eifriger Parteigänger zu empfehlen; denn so entsprach es seinem gemeinen Wirklichkeitssinn, mit dem er es in Ermangelung höherer Gaben weit zu bringen hoffte. Da nun aber mein armer Vater, trotz seiner zweifelhaften Stellung, als Industrieller und Steuerzahler immerhin zu den ansehnlichen Personen des Städtchens gehörte, da sich überdies der Sanitätsrat als Hausarzt in einer gewissen Abhängigkeit von uns befand; und vielleicht auch nur, weil er jede Gelegenheit, sich

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