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Bekenntnisse Des Hochstaplers Felix Krul

Bekenntnisse Des Hochstaplers Felix Krul

Titel: Bekenntnisse Des Hochstaplers Felix Krul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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in der Korruption zu üben, selbstgefällig ergriff; so glaubte dieser Elende tatsächlich mit mir gemeinsame Sache machen zu sollen.
       Jedesmal, wenn er sich unter den üblichen onkelhaften Doktor-Redensarten, wie zum Beispiel: »Ei, ei, was machen wir da?« oder: »Was sind denn das für Sachen?« meinem Bette genähert, sich niedergelassen und mich ein wenig betrachtet und befragt hatte, – jedesmal, sage ich, kam der Augenblick, wo ein Schweigen, ein Lächeln, ein Blinzeln von seiner Seite mich aufforderte, ihm insgeheim auf dieselbe Weise zu erwidern und mich ihm als »schulkrank«, wie er es in seiner Gewöhnlichkeit nennen mochte, zu bekennen. Nie bin ich ihm das kleinste Schrittchen entgegengekommen. Und nicht sowohl Vorsicht hinderte mich daran (denn ich hätte ihm wahrscheinlich vertrauen dürfen), als vielmehr Stolz und Verachtung. Meine Augen wurden nur trüber und ratloser, meine Wangen hohler, meine Lippen schlaffer, meine Atemzüge kürzer und beklommener angesichts seiner Versuche, sich mit mir ins Einvernehmen zu setzen, und vollkommen bereit, auch ihm, wenn es wünschenswert scheinen sollte, mit einem Anfall von Brechkrampf aufzuwarten, hielt ich so unerschütterlich verständnislos diesen Versuchen stand, daß er sich endlich besiegt geben und sich bequemen mußte, die Lebensklugheit beiseite zu lassen und dem Falle mit Hilfe der Wissenschaft beizukommen.
       Das mochte ihm sauer werden, erstens seiner Dummheit wegen und zweitens, weil es in der Tat ein Krankheitsbild von großer Allgemeinheit und Unbestimmtheit war, das ich bot. Er behorchte und beklopfte mich mehrfach von allen Seiten, bohrte mir den Stiel eines Suppenlöffels in den Schlund, belästigte mich mit dem Fieberthermometer und mußte dann wohl oder übel zum Spruche kommen. »Migräne«, erklärte er. »Kein Grund zur Beunruhigung. Wir kennen ja diese Neigung bei unserem jungen Freund. Leider ist der Magen nicht unerheblich in Mitleidenschaft gezogen. Ich empfehle Ruhe, keine Besuche, wenig Gespräche, am besten Verdunkelung des Zimmers. Außerdem hat das zitronensauere Koffein sich ja vortrefflich bewährt. Ich schreibe es Ihnen auf …« Hatten sich aber gerade ein paar Fälle von Grippe im Städtchen ereignet, so sagte er: »Grippe, beste Frau Krull, und zwar gastrisch betont. Ja, auch unseren Freund hat es getroffen! Die Entzündung der Luftwege ist noch unbedeutend, aber sie ist vorhanden. Nicht wahr, lieber Freund, Sie husten? Auch eine Temperaturerhöhung, die sich im Laufe des Tages wohl steigern wird, mußte ich feststellen. Ferner ist der Puls auffallend beschleunigt und unregelmäßig.« Und in seiner Phantasielosigkeit verordnete er einen in der Apotheke vorrätigen bittersüßen Stärkungswein, dem ich übrigens mit Vergnügen zusprach und der mich nach bestandenem Kampfe in eine warme und still zufriedene Stimmung versetzte.
       Selbstverständlich macht der ärztliche Berufsstand von anderen keine Ausnahme darin, daß seine Angehörigen ihrer überwiegenden Mehrzahl nach gewöhnliche Hohlköpfe sind, bereit, zu sehen, was nicht da ist, und zu leugnen, was auf der Hand liegt. Jeder ungelehrte Kenner und Liebhaber des Leibes meistert sie im Wissen um seine feineren Geheimnisse und führt sie mit Leichtigkeit an der Nase herum. Der Katarrh der Luftwege, den man mir zusprach, war von mir gar nicht vorgesehen und nicht einmal andeutungsweise in meine Darstellung aufgenommen. Da ich den Sanitätsrat aber einmal gezwungen hatte, seine ordinäre Annahme, ich sei »schulkrank«, fallenzulassen, so wußte er nichts Besseres, als daß ich die Grippe haben müsse, und um diese Bestimmung aufrechterhalten zu können, verlangte er, daß ich Hustenreiz verspürte, und behauptete, daß meine Mandeln geschwollen seien, was ebensowenig der Fall war. Die Temperaturerhöhung angehend, so war er sicherlich im Rechte mit dieser Feststellung, die freilich seinen Schulglauben in bezug auf die klinische Erscheinung bündig Lügen strafte. Die ärztliche Wissenschaft will, daß Fieber notwendig nur die Folge der Vergiftung des Blutes durch einen Krankheitserreger sein könne und daß es ein Fieber aus anderen als körperlichen Ursachen nicht gebe. Das ist lächerlich. Der Leser wird die Überzeugung gewonnen haben, und ich gebe ihm mein Ehrenwort zum Pfande, daß ich nicht im gröberen Sinne krank war, wenn Sanitätsrat Düsing mich untersuchte; allein die Erregung des Augenblicks, die abenteuerliche Willensleistung, die ich

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