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Bekenntnisse Des Hochstaplers Felix Krul

Bekenntnisse Des Hochstaplers Felix Krul

Titel: Bekenntnisse Des Hochstaplers Felix Krul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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Likören und Punschessenzen füllten die Wandborte vom Fußboden bis zur Decke. In den gläsernen Schaukästen des Ladentisches boten sich geräucherte Fische, Makrelen, Neunaugen, Flundern und Aale auf Tellern und Schüsseln dem Genusse dar. Platten mit italienischem Salat waren dort ebenfalls angerichtet. Auf einem Eisblock breitete ein Hummer seine Scheren aus; Sprotten, dicht aneinander gepreßt, schimmerten fettig-golden in offenen Kistchen, und ausgesuchtes Obst, Gartenbeeren und Trauben, die an die des Gelobten Landes erinnerten, wechselten mit kleinen Bauten von Sardinenbüchsen und den leckeren Tiegeln, welche Kaviar und Gänseleberpastete enthalten. Mastgeflügel ließ seine gerupften Hälse von der oberen Platte hängen. Fleischwaren, zum Aufschnitt bestimmt, wie die beiliegenden langen, schmalen und fettigen Messer lehrten, und Rostbraten, Schinken, Zunge, geräucherter Lachs und Gänsebrüste waren ferner dort oben aufgebaut. Große Glasglocken wölbten sich über den erdenklichsten Käsesorten: ziegelroten, milchweißen, marmorierten und denen, die in leckerer Goldwelle aus ihrer silbernen Hülle quellen. Artischocken, Bündel von grünen Spargeln, Häufchen von Trüffeln, kostbare kleine Leberwürste in Stanniol waren wie in prahlerischem Überfluß dazwischen verteilt, und auf Nebentischen standen offene Blechbüchsen voll feiner Biskuits, waren braunglänzende Honigkuchen kreuzweise übereinandergeschichtet, erhoben sich urnenartig geformte Glasschalen mit Dessertbonbons und überzuckerten Früchten.
    Verzaubert stand ich und nahm mit lauschend zögernder Brust die liebliche Atmosphäre des Ortes auf, in welcher die Düfte der Schokolade und des Rauchfleisches sich mit der köstlich moderigen Ausdünstung der Trüffel vereinigten. Märchenhafte Vorstellungen, die Erinnerung an das Schlaraffenland, an gewisse unterirdische Schatzkammern, in denen Sonntagskinder sich ungescheut die Taschen und Stiefel mit Edelsteinen gefüllt hatten, umfingen meinen Sinn. Ja, das war ein Märchen oder ein Traum! Ich sah die schwerfällige Ordnung und Gesetzlichkeit des Alltages aufgehoben, die Hindernisse und Umständlichkeiten, die im gemeinen Leben sich der Begierde entgegenstellen, auf schwebende und glückselige Weise beiseite geräumt. Die Lust, diesen strotzenden Erdenwinkel so ganz meiner einsamen Gegenwart untergeben zu sehen, ergriff mich plötzlich so stark, daß ich sie wie ein Jucken und Reißen in allen meinen Gliedern empfand. Ich mußte mir Gewalt antun, um vor heftiger Freude über so viel Neuheit und Freiheit nicht aufzujauchzen. Ich sagte »Guten Tag!« ins Leere hinein, und noch höre ich, wie der gepreßte und unnatürlich gefaßte Klang meiner Stimme sich in der Stille verlor. Niemand antwortete. Und in demselben Augenblick lief mir buchstäblich das Wasser stromweise im Mund zusammen. Mit einem raschen und lautlosen Schritt war ich an einem der mit Süßigkeiten beladenen Seitentische, tat einen herrlichen Griff in die nächste mit Pralinés angefüllte Kristallschale, ließ den Inhalt meiner Faust in die Paletottasche gleiten, erreichte die Tür und war in der nächsten Sekunde um die Straßenecke gebogen.
       Ohne Zweifel wird man mir entgegenhalten, daß, was ich da ausgeführt, gemeiner Diebstahl gewesen sei. Demgegenüber verstumme ich und ziehe mich zurück; denn selbstverständlich kann und werde ich niemand hindern, dieses armselige Wort zur Anwendung zu bringen, wenn es ihn befriedigt. Aber ein anderes ist das Wort – das wohlfeile, abgenutzte und ungefähr über das Leben hinpfuschende Wort – und ein anderes die lebendige, ursprüngliche, ewig junge, ewig von Neuheit, Erstmaligkeit und Unvergleichlichkeit glänzende Tat. Nur Gewohnheit und Trägheit bereden uns, beide für eins und dasselbe zu halten, während vielmehr das Wort, insofern es Taten bezeichnen soll, einer Fliegenklatsche gleicht, die niemals trifft. Überdies ist, wo immer es sich um eine Tat handelt, in erster Linie weder an dem Was noch an dem Wie gelegen (obgleich dies letztere wichtiger ist), sondern einzig und allein an dem Wer. Was ich je getan habe, war in hervorragendem Maße meine Tat, nicht die von Krethi und Plethi, und obgleich ich es mir, namentlich auch von der bürgerlichen Gerichtsbarkeit, habe gefallen lassen müssen, daß man denselben Namen daran heftete wie an zehntausend andere, so habe ich mich doch in dem geheimnisvollen, aber unerschütterlichen Gefühl, ein Gunstkind der schaffenden

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