Bekenntnisse Des Hochstaplers Felix Krul
bei ihm eintrat und er mich im Schein der Hängebirne musterte.
»Nom d’un chien!« sagte er. »Er hat sich herausgeputzt. Demnach sind die Geschäfte flott gegangen?« »Leidlich«, versetzte ich, während ich ablegte und vor sein Bett trat. »Recht leidlich, Stanko, das darf ich sagen, wenn auch nicht all unsere Hoffnungen sich erfüllt haben. Der Mann ist jedenfalls nicht der Schlimmste seiner Gilde; durchaus erweist er sich als umgänglich, wenn man ihn zu nehmen versteht und den Nacken steifhält. Auf neuntausend habe ich es gebracht. Erlauben Sie nun, daß ich meinen Verpflichtungen nachkomme!« Und indem ich in meinen Knöpfstiefeln auf den Rand des Unterbettes stieg, zählte ich ihm aus meiner überfüllten Eidechsentasche dreitausend Franken auf die Friesdecke.
»Gauner!« sagte er. »Du hast zwölftausend bekom
men.«
»Stanko, ich schwöre Ihnen …«
Er brach in Lachen aus.
»Schatz, echauffiere dich nicht!« sagte er. »Ich glaube weder, daß du zwölftausend, noch daß du neuntausend bekommen hast. Du hast höchstens fünftausend bekommen. Sieh mal, ich liege hier, und mein Fieber ist heruntergegangen. Da wird der Mensch weich und rührsam vor Mattigkeit nach verflogenem Schwips. Darum will ich dir nur gestehen, daß ich selber nicht mehr als irgendwas zwischen vier- und fünftausend herausgedrückt hätte. Hier hast du tausend wieder. Wir sind beide anständige Kerle, sind wir das nicht? Ich bin entzückt von uns. Embrassonsnous! Et bonne nuit!«
Neuntes Kapitel
E s ist wirklich nichts leichter, als einen Lift zu bedie
nen. Man kann es beinahe sofort, und da ich mir selbst und, wie so mancher Blick mich merken ließ, auch der auf- und abfahrenden schönen Welt nicht wenig in meiner schmucken Livree gefiel, dazu viel innere Erfrischung fand an dem neuen Namen, den ich nun führte, so machte der Dienst mir anfangs entschiedene Freude. Allein, ein Kinderspiel an und für sich, ist dieser Dienst, wenn man ihn mit kurzen Unterbrechungen von sieben Uhr morgens bis gegen Mitternacht zu versehen hat, recht sehr ermüdend, und einigermaßen gebrochen an Leib und Seele erklettert der Mensch nach einem solchen Arbeitstage sein Oberbett. Sechzehn Stunden lang, nur ausgenommen die kurzen Fristen, in denen schichtweise dem Personal in einem zwischen Küche und Speisesaal gelegenen Raum die Mahlzeiten verabfolgt wurden – sehr schlechte Mahlzeiten, da hatte der kleine Bob nur zu recht gehabt, Mahlzeiten, zum Murren stimmend, aus allerlei Resten unfreundlich zusammengekesselt – ich fand diese zweifelhaften Ragouts, Hachés und Fricassées, zu denen ein saurer petit vin du pays mit Geiz geschenkt wurde, ernstlich kränkend und habe tatsächlich nur im Zuchthaus unlustiger gespeist –: so viele Stunden also war man ohne ein Niedersitzen, in eingeschlossener, von den Parfums der Fahrgäste geschwängerter Luft auf den Beinen, handhabte seinen Hebel, blickte aufs Klingelbrett, machte halt da und dort im Auf- und Abgleiten, nahm Gäste auf, ließ welche aussteigen und wunderte sich über die hirnlose Ungeduld von Herrschaften, die drunten in der Halle unaufhörlich nach einem schellten, da man doch nicht sogleich aus dem vierten Stock zu ihren Diensten hinunterstürzen konnte, sondern erst dort oben und in tieferen Etagen hinauszutreten und mit artiger Verbeugung und seinem besten Lächeln abwärts Verlangende einzulassen hatte.
Ich lächelte viel, sagte: »M’sieur et dame –« und »Watch your step!«, was ganz unnötig war, denn höchstens am ersten Tag war ich hie und da uneben gelandet, dann verursachte ich niemals eine Stufe mehr, vor der ich zu warnen gehabt hätte, oder glich sie doch sofort vollkommen aus. Älteren Damen legte ich leicht die Hand zur Stütze unter den Ellbogen beim Aussteigen, als ob es mit diesem irgendwelche Schwierigkeiten gehabt hätte, und empfing den leicht verwirrten, zuweilen auch melancholisch-koketten Dankesblick, mit dem das Abgelebte die Galanterie der Jugend quittiert. Andere freilich verbissen sich jedes Entzücken oder hatten das nicht einmal nötig, da ihr Herz erkaltet und nur noch Klassenhochmut darin übriggeblieben war. Übrigens tat ich es auch bei jungen Frauen, und da gab es manches zarte Erröten nebst einem gelispelten »Merci« für eine Aufmerksamkeit, die mir das eintönige Tagewerk versüßte, da ich sie im Grunde nur einer zudachte und mich nur für sie gewissermaßen darin übte. Auf sie wartete ich, die ich bildhaft – und die mich
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