Bekenntnisse Des Hochstaplers Felix Krul
bildlos – im Sinne trug, die Herrin des Kästchens, die Spenderin meiner Knöpfstiefel, meines Stockschirmes und meines Ausgeh-Anzugs, sie, mit der ich in zartem Geheimnis lebte, – und konnte, wenn sie nicht jäh wieder abgereist war, unmöglich lange auf sie zu warten haben.
Am zweiten Tage schon, nachmittags gegen fünf – auch Eustache war mit seinem Gefährt gerade unten – erschien sie in der Ascenseur-Nische der Halle, den Schleier über dem Hut, wie ich sie schon gesehen. Der gänzlich alltägliche Kollege und ich standen vor unseren offenen Türen, und sie trat mitten vor uns hin, indem sie mich ansah, kurz die Augen aufriß und lächelnd auf ihren Füßen schwankte, ungewiß für welchen Fahrstuhl sie sich entscheiden sollte. Es war gar kein Zweifel, daß es sie zu meinem zog; aber da Eustache schon beiseite getreten war und sie mit der Hand in seinen lud, so dachte sie wohl, er sei dienstlich an der Reihe, trat, nicht ohne sich unverhohlen über die Schulter, mit erneutem Augenaufreißen, nach mir umzusehen, bei ihm ein und entglitt.
Das war alles für diesmal, außer daß ich, bei einem neuen unteren Zusammentreffen mit Eustache, von ihm ihren Namen erfuhr. Sie hieß Mademe Houpflé und war aus Straßburg. »Impudemment riche, tu sais«, fügte Eustache hinzu, worauf ich nur mit einem kühlen »Tant mieux pour elle« erwiderte.
Am folgenden Tag um dieselbe Stunde, als eben die beiden anderen Lifts unterwegs waren und ich allein vor dem meinen stand, war sie wieder da, in einer sehr schönen, langschößigen Nerzjacke diesmal und einem Barett aus dem gleichen Pelzwerk, vom Shopping kommend, denn sie trug mehrere, wenn auch nicht große, elegant eingeschlagene und verschnürte Pakete im Arm und in der Hand. Befriedigt nickte sie bei meinem Anblick, sah lächelnd meiner von einem ehrerbietigen »Madame –« begleiteten Verbeugung zu, die etwas von einer Aufforderung zum Tanze hatte, und ließ sich mit mir in dem erleuchteten Schwebestübchen einschließen. Währenddessen klingelte es vom vierten Stock.
»Deuxième, n’est-ce pas, Madame?« fragte ich, da sie mir keine Weisung gegeben hatte.
Sie war nicht in den Hintergrund des kleinen Raumes getreten, stand nicht hinter mir, sondern neben mir an der Tür und sah abwechselnd auf meine den Hebel haltende Hand und in mein Gesicht.
»Mais oui, deuxième« sagte sie. »Comment savezvous?«
»Je le sais, tout simplement.«
»Ah? – Der neue Armand, wenn ich nicht irre?«
»Zu Diensten, Madame.«
»Man kann sagen«, gab sie zurück, »daß dieser Wechsel einen Fortschritt in der Zusammensetzung des Personals bedeutet.«
»Zu Diensten, Madame.«
Ihre Stimme war ein sehr wohliger, nervös bewegter Alt. Aber während ich es dachte, sprach sie von meiner eigenen.
»Ich möchte Sie«, sprach sie, »wegen Ihrer angenehmen Stimme loben.« – Die Worte des Geistlichen Rates Chateau!
»Je serais infiniment content, Madame«, erwiderte ich, »si ma voix n’offensait pas votre oreille!«
Es klingelte wiederholt von oben. Wir waren im zweiten Stock. Sie fügte hinzu:
»C’est en effet une oreille musicale et sensible. Du reste, l’ouïe n’est pas le seul de mes sens qui est susceptible.«
Sie war erstaunlich! Ich unterstützte sie zart beim Hinaustreten, als ob es da irgend etwas zu unterstützen gegeben hätte, und sagte:
»Erlauben Sie, daß ich Sie endlich von Ihren Lasten befreie, Madame, und sie Ihnen auf Ihr Zimmer trage!«
Damit nahm ich ihr die Pakete ab, sammelte sie einzeln von ihr ein und folgte ihr damit, meinen Lift einfach im Stich lassend, den Korridor entlang. Es waren nur zwanzig Schritte. Sie öffnete zur Linken No. 23 und betrat, mir voran, ihr Schlafzimmer, dessen Tür zum Salon offenstand, – ein luxuriöses Schlafzimmer, parkettiert, mit großem Perserteppich, Kirschholzmöbeln, blitzendem Gerät auf dem Toilettetisch, einer breiten, mit gestepptem Atlas bedeckten Messing-Bettstatt und einer grausamtenen Chaiselongue. Auf diese sowie auf die gläserne Platte des Tischchens legte ich die Pakete, während Madame ihr Barett abnahm und ihre Pelzjacke öffnete.
»Meine Zofe ist nicht zur Hand«, sagte sie. »Sie hat ihr Zimmer eine Treppe höher. Würden Sie Ihre Aufmerksamkeit vollenden, indem Sie mir aus diesem Kleidungsstück helfen?«
»Mit außerordentlichem Vergnügen«, erwiderte ich und machte mich ans Werk. Während ich aber damit
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