Bekenntnisse Des Hochstaplers Felix Krul
Knaben, die meine Zigarettenreste aufhoben, – dem einen einen Franc, dem anderen zehn Sous zu ihrer ungläubigen Glückseligkeit diskret hinabgereicht, und das verursachte bedrängenden Zuzug von ihresgleichen, dem ich, da der einzelne unmöglich allem Elend der Welt abhelfen kann, am Ende zu weichen hatte. Dennoch will ich nur bekennen, daß der Vorsatz zu solchen Darreichungen, der schon vom gestrigen Abend stammte, seine Rolle gespielt hatte bei meinem Verlangen nach diesem Aufenthalt.
Übrigens waren es nicht zuletzt Überlegungen finanzieller Art gewesen, die mich beschäftigt hatten, während ich dort saß, und sie fuhren fort, es zu tun bei meinem ferneren Zeitvertreib. Wie war es mit Stanko? Seiner gedenkend stand ich vor einer schwierigen Wahl. Ich konnte ihm entweder eingestehen, daß ich zu ungeschickt, zu kindisch gewesen war, den von ihm mit so viel Entschiedenheit angesetzten Preis für meine Ware auch nur im entferntesten zu erzielen und ihn nach Maßgabe dieses beschämenden Mißerfolgs mit allenfalls eintausendfünfhundert Franken abfinden. Oder ich konnte ihn zu meinen Ehren und zu seinem Vorteil belügen und ihm vormachen, ich hätte das geforderte Ergebnis wenigstens annähernd erreicht; in welchem Fall ich ihm das Doppelte auszufolgen hatte, so daß für mich von dem Ertrag all der Herrlichkeiten ein Sümmchen übrig blieb, das den ersten schamlosen Angeboten Meister Jean-Pierre’s recht kläglich nahekam. Wofür würde ich mich entscheiden? Im Grunde ahnte mir, daß mein Stolz, oder meine Eitelkeit, sich als stärker erweisen würde als meine Habsucht.
Den Zeitvertreib nach dem Kaffeestündchen ange
hend, so ergötzte ich mich für geringes Eintrittsgeld am Beschauen eines herrlichen Rundgemäldes, das in voller Landschaftsausdehnung, mit brennenden Dörfern und wimmelnd von russischen, österreichischen und französischen Truppen die Schlacht von Austerlitz darstellte; so vorzüglich, daß man kaum vermochte, die Grenze zwischen dem nur Gemalten und den vordergründigen Wirklichkeiten, weggeworfenen Waffen und Tornistern und gefallenen Kriegerpuppen, wahrzunehmen. Auf einem Hügel beobachtete der Kaiser Napoléon, umgeben von seinem Stabe, die strategische Lage durch ein Fernrohr. Gehoben von diesem Anblick, besuchte ich auch noch ein anderes Spektakel, ein Panoptikum, wo man auf Schritt und Tritt zu seiner schreckhaften Freude mit allerlei Potentaten, Groß-Defraudanten, ruhmgekrönten Künstlern und namhaften Frauenmördern zusammenstieß, jeden Augenblick gewärtig, von ihnen auf du und du angeredet zu werden. Der Abbé Liszt saß da mit langem weißem Haar und den natürlichsten Warzen im Gesicht an einem Flügel und griff, den Fuß auf dem Pedal und die Augen gen Himmel gerichtet, mit wächsernen Händen in die Tasten, während nahebei General Bazaine einen Revolver gegen seine Schläfe richtete, aber nicht abdrückte. Es waren packende Eindrücke für ein junges Gemüt, allein meine aufnehmenden Fähigkeiten waren trotz Liszt und Lesseps nicht erschöpft. Der Abend war eingefallen über vorstehenden Erlebnissen; strahlend wie gestern, mit bunten, wechselweise erlöschenden und wiederaufflammenden Werbelichtern winkend, erleuchtete sich Paris, und nach einigem Flanieren verbrachte ich anderthalb Stunden in einem Variété-Teater, wo Seelöwen brennende Petroleumlampen auf der Nase balancierten, ein Zauberkünstler jemandes goldene Uhr in einem Mörser zerstampfte, um sie dann einem völlig unbeteiligten Zuschauer, der weit zurück im Parterre gesessen hatte, wohlbehalten aus der hinteren Hosentasche zu ziehen, eine bleiche Diseuse in langen schwarzen Handschuhen mit Grabesstimme düstere Unanständigkeiten in den Saal lancierte und ein Herr meisterhaft aus dem Bauche sprach. Ich konnte das Ende des wundervollen Programms nicht abwarten, denn wenn ich noch irgendwo eine Schokolade trinken wollte, so mußte ich mich eilen, nach Hause zu kommen, bevor der Schlafraum sich bevölkerte.
Durch die Avenue de l’Opéra und die Rue des Pyramides kehrte ich in die heimische Rue Saint Honoré zurück und streifte in der Nähe des Hotels meine Handschuhe ab, da sie mir unter den verschiedenen Aufbesserungen meiner Toilette den Ausschlag nach der Seite des Herausfordernden zu geben schienen. Übrigens beachtete mich niemand, als ich mit einem Ascenseur, der bis zum vierten Stockwerk von Gästen nicht leer wurde, dorthin hinauffuhr. Stanko machte große Augen, als ich eine Treppe höher
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