Bekenntnisse Des Hochstaplers Felix Krul
Einnahme war schwer belastet. Dennoch blieb mir nichts übrig, als mein »Entendu« zu sprechen. Jean-Pierre schloß den eisernen Trésor auf, versorgte unter meinen bedauernden Abschiedsblicken seinen Erwerb darin und legte mir vier Tausend-FrancsNoten und vier Hunderter auf den Tisch. Ich schüttelte den Kopf.
»Wollen Sie mir das etwas kleiner machen«, sagte ich, indem ich ihm die Tausender wieder zuschob, und er antwortete:
»Nun, bravo! Ich habe nur deinen Takt ein wenig auf die Probe gestellt. Du möchtest bei deinen Einkäufen nicht zu großspurig auftreten, wie ich sehe. Das gefällt mir. Du gefällst mir überhaupt«, fuhr er fort, indem er mir die Tausend-Francs-Billetts in Hunderter, auch in einiges Gold und Silber auflöste, »und ich hätte nicht so unerlaubt generös mit dir abgeschlossen, wenn du mir nicht wirklich Vertrauen einflößtest. Sieh, ich möchte die Verbindung mit dir gern aufrechterhalten. Es mag sein, es mag durchaus sein, daß was los ist mit dir. Du hast so was Sonniges. Wie heißt du eigentlich?« »Armand.«
»Nun, Armand, erweise dich dankbar, indem du wiederkommst. Hier ist deine Uhr. Ich schenke dir diese Kette dazu.« (Sie war rein gar nichts wert.) »Adieu, mein Kleiner! Komm wieder! Ich habe mich etwas verliebt in dich, bei unseren Geschäften.«
»Sie haben Ihre Gefühle gut zu beherrschen
gewußt.«
»Sehr schlecht, sehr schlecht!«
So scherzend trennten wir uns. Ich nahm einen Omni
bus zum Boulevard Haussmann und fand in einer seiner Nebenstraßen ein Schuhgeschäft, wo ich mir ein Paar hübsche, zugleich solide und schmiegsame Knöpfstiefel anpassen ließ, die ich gleich an den Füßen behielt, indem ich erklärte, daß ich die alten nicht wiederzusehen wünschte. Im Kaufhaus ›Printemps‹ sodann, nahebei, erstand ich, von Abteilung zu Abteilung schlendernd, zunächst einige kleinere Nutzbarkeiten: drei, vier Kragen, eine Krawatte, auch ein seidenes Hemd, ferner einen weichen Hut, statt der Mütze, die ich in der Mufftasche meiner Überjacke barg, einen Regenschirm, der in einer Spazierstock-Hülse steckte und mir außerordentlich gefiel, wildlederne Handschuhe und eine Brieftasche aus Eidechsenhaut. Danach ließ ich mich ins Konfektions-Rayon weisen, wo ich von der Stange weg einen sehr angenehmen Uni-Anzug aus leichtem und warmem grauem Wollstoff kaufte, der mir paßte wie angemessen und mir mit dem stehenden Umlegekragen, der blau und weiß gesprenkelten Krawatte ausgezeichnet zu Gesichte stand. Auch ihn legte ich nicht erst wieder ab, bat, mir die Hülle, in der ich gekommen war, zuzusenden, und ließ als Adresse spaßeshalber »Pierre Jean-Pierre, quatre-vingt-douze, Rue de l’Échelle au Ciel« notieren.
Mir war recht wohl, als ich, so aufgefrischt, die Krücke meines Stockschirmes über den Arm gehängt und den kleinen hölzernen Träger meines weißen, mit rotem Bande verschnürten Einkaufspaketes bequem zwischen den behandschuhten Fingern, den ›Printemps‹ verließ, – recht wohl in dem Gedanken an die Frau, die mich bildlos im Sinne trug und nun, so fand ich, einem Bilde nachfragte, das ihrer und ihres Fragens würdiger war als bisher. Gewiß hätte sie mit mir ihre Freude daran gehabt, daß ich meine äußere Person in eine unseren Beziehungen angemessenere Verfassung gebracht hatte. Der Nachmittag aber war vorgeschritten nach diesen Erledigungen, und ich spürte Hunger. In einer Brasserie ließ ich mir ein keineswegs schlemmerhaftes, aber kräftiges Mahl vorsetzen, bestehend aus einer Fischsuppe, einem guten Beefsteak mit Beilagen, Käse und Obst, und trank zwei Bock dazu. Wohlgesättigt beschloß ich, mir die Lebenslage zu gönnen, um die ich gestern im Vorbeifahren diejenigen, die sich ihrer erfreuten, beneidet hatte: nämlich vor einem der Cafés des Boulevard des Italiens zu sitzen und den Verkehr zu genießen. So tat ich. In der Nähe eines wärmenden Kohlenbeckens nahm ich an einem Tischchen Platz, trank rauchend meinen Double und blickte abwechselnd in den bunten und lärmenden Zug des Lebens dort vor mir und hinab auf den einen meiner bildhübschen neuen Knöpfstiefel, den ich bei übergeschlagenem Bein in der Luft wippen ließ. Wohl eine Stunde saß ich dort, so sehr gefiel es mir, und noch länger wäre ich wahrscheinlich geblieben, wenn es nicht der Abfall klaubenden Kriecher unter meinem Tisch und um ihn herum allmählich zu viele geworden wären. Ich hatte nämlich einem zerlumpten Greise und einem gleichfalls sehr abgerissenen
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