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Bekentnisse eines möblierten Herren

Bekentnisse eines möblierten Herren

Titel: Bekentnisse eines möblierten Herren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Hassencamp
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moderierten Frisur frisch und vorteilhaft aussah. Am Saaleingang wurde er dem Tanzlehrer und dessen Assistentin vorgestellt.
    »Ein sehr lieber Bekannter von uns«, erläuterte Zierholt. »Feuchthaber. Sehr erfreut«, sagte der Beinpädagoge, ein hagerer Mann mit dem flinken Blick eines Gasablesers, »an Nachwuchs sind wir immer interessiert.«
    »Angenehm«, hauchte die Assistentin aus hochgeschlossener Busenlosigkeit.
    Der Meister rief zur Arbeit. Zierholts entschuldigten sich, Lukas nahm am günstigsten Tisch Platz und bestellte bei einem mürrischen Ober wahllos einen Mosel. Inzwischen hatten sich die Aktiven aufgestellt. Vorne beim Musikpodium die Älteren, die B-Klasse also, hinten bei der Tür zum Office die Jugendriege. Rechte Reihe die Damen, linke Reihe die Herren, in der Mitte der Tanzmeister und unten bei der Jugend die Assistentin. »Meine Damen und Herren, wir wollen da weitermachen, wo wir das letzte Mal stehengeblieben sind. Zuerst aber will ich Ihnen die Grundregeln noch einmal ins Gedächtnis zurückrufen.«
    Er begab sich in Grundstellung, konzentrierte sich während des Einatmens wie ein Springer auf dem Fünfmeterbrett, seine Arme schnellten zum Präsentiergriff in die Höhe, die imaginäre Ballkönigin zu umfassen.
    »Musik!«
    Auf dem Podium stand ein einsamer Stuhl. Auf dem Stuhl ein Plattenspieler und dahinter die Rudimente einer getretenen Seele — das Klubfaktotum. Der Tonarm schwenkte ein, der Fuß des Meisters scherte aus. »Wechselschritt, zwei, drei, Wechselschritt, zwei, drei... drehen... Wechselschritt. Oberkörper aufrecht. Nur aus der Hüfte drehen!... und beiführen. — So, wenn ich Sie jetzt bitten dürfte. Zuerst die Einzelübungen.« Bündelweise wurden die Arme gehoben; die Herde setzte sich in Bewegung. Verloren, mit gesenkten Köpfen turnten sie vor sich hin, drehend, mitzählend, und starrten hilflos auf ihre eigenwilligen Beine.
    Mit gigolesker Geschmeidigkeit glitt der Meister von einem zum andern. Hier die Haltung eines Armes, dort das Beiziehen eines Beines beanstandend.
    »Mehr aus der Hüfte... Ja... und beiziehen, zwei, drei, Drehung... Oberkörper ganz ruhig, Frau Doktor!... Ja, so... und langsam beiführen!«
    Die Platte war zu Ende. Der Gesichtslose setzte den Tonarm erneut auf. Die Beflissenen glichen ihre Gehwerkzeuge dem neu einsetzenden Rhythmus an, niemand hatte den Wechsel bemerkt. Und wenn ein anderes Stück gespielt wird, können sie keinen Schritt mehr, dachte Lukas, den besessenen Eifer der Alten mit der Gelassenheit der Jungen vergleichend. — Ein Zerrbild der Wirklichkeit.
    Von Renate sah er nur einen Rockzipfel. Ein adoleszen-ter, männlicher Trampel mit abiturientenhaftem Adamsapfel verdeckte sie fast völlig.
    »Autsch!«
    Eine gute Mutti war umgeknickt und stützte ihr üppiges Weibstum auf den Meister.
    »Sie haben nicht rechtzeitig beigeführt, Frau Baurat«, tadelte der ohne Mitleid. Wieder begann die Platte von vorn. Den Damen wurde warm. Chiffontücher mußten eingesetzt werden. Endlich unterbrach Herr Feuchthaber. Kurze Pauschalkritik, dann bat er zum paarweisen Tanz. Ein Herr hatte noch eine Frage. Der Maitre zog ihn aus der Reihe und wischte — jetzt ganz Dame — im Arm des Begriffsstutzigen belehrend über das Parkett.
    Das Paartanzen brachte noch eine Steigerung. Wirkt sichtbares Bemühen schon im gewöhnlichen Leben erheiternd, so erst recht beim Tanz. Zaghaft schoben die Übungsgespanne mit schiefgehaltenen Köpfen unter halblautem Mitzählen durch den Saal — korrekt bis zur Kontaktlosigkeit. Überall die gleichen angstverzerrten Züge.
    Und die weiblichen Patschhändchen auf den Schultern ihrer Partner! Jeder Finger eine kokette Pose für sich. Stilleben mit lackierten Nägeln. Doch die Herren standen ihnen nicht nach. Manche hielten die Hand senkrecht nach unten, den Mittelfinger an das Rückgrat der Partnerin gepreßt, als handle es sich um die Naht einer Militärhose. Andere wieder hielten sie waagrecht mi t dem Handrücken nach oben, wie dezente Subdirektoren auf einer Großraumtoilette.
    »Viel rascher beiziehen... und zwei und... aber Frau Ingenieur, wo haben Sie denn Ihre Hand?«
    Mutter Zierholt war die Entgleiste. Sie hielt ihren Karl-Heinz beim Ellenbogen.
    »Du drehst dich immer so abrupt, da komme ich nicht nach!« Zierholt sah betreten zu seinem Untermieter hinüber, der sich sogleich taktvoll abwandte.
    Mit ihrem Ehrgeiz bringen sie sich um den eigentlichen Sinn des Tanzes: Gelöstsein durch Musik, dachte Lukas, und

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