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Bekentnisse eines möblierten Herren

Bekentnisse eines möblierten Herren

Titel: Bekentnisse eines möblierten Herren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Hassencamp
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nachstand.
    »Nanu?« zwitscherte sie im Vorbeigleiten, »Sie tanzen ja auch?«
    »Sogar sehr gut«, parierte ihre Mutter in echter Partnersolidarität.
    Die Begegnung bildete eine solide Grundlage für weiteren Wortwechsel.
    »Renatchen hat viel Erfolg bei den jungen Leuten.«
    »Doch, ja!... Ich muß sagen... Ihre Tochter...«
    »Gell? Ja, das hat sie von mir. Mein Vater war ein leidenschaftlicher Tänzer.«
    Während Lukas versuchte, sich den leidenschaftlichen Erzeuger seiner Partnerin vorzustellen, fuhr sie mit verhaltenem Stolz fort:
    »Das Klubleben gibt uns richtig Auftrieb; Renate ist einfach selig.«
    »Gut, Herr Dornberg, sehr gut! Ich muß schon sagen, alle Achtung!« rief es hinter ihnen. Vater Zierholt schwebte breitseits, vollbeschäftigt, die etwas größere Frau Plötzl tänzerisch zu bewältigen.
    »Bis später!«
    Frau Zierholt hatte den Faden nicht verloren.
    »Früher war Renate oft still und schüchtern, aber durch die Riege bekommt sie jetzt eine Sicherheit, gell! Und ist dabei noch so ein Kind mit ihren siebzehn Jahren, ein richtig naives Kind.«
    Wieder am Tisch, griff Frau Zierholt zum Chiffontuch, während Karl-Heinz sich durch rasches öffnen und Schließen seiner Jacke befächelte. Lukas benutzte die allgemeine Restauration, Renate aufzufordern. Sie lächelte ihn von der Seite an, trank noch einen Schluck im Stehen und legte sich willig in seinen Arm.
    Ob sie auch mal so wird wie ihre Mutter? dachte er und kostete den Unterschied aus. Ihr Parfüm, das er nicht sehr schätzte, war gottlob im harten Training schon verflogen. Jetzt duftete sie nach angenehmer Körperlichkeit, und die glatte Kühle ihrer schmalen Hand kam seinem ästhetischen Empfinden entgegen.
    Jeder mit den Eindrücken dieses ersten Kontaktes beschäftigt, tanzten sie eine Weile dahin. Lukas nutzte den schnellen Foxtrott zu modernen, körperfernen Figuren. »Wenn Sie so offen tanzen, kommen Sie nie in den Klub. Das ist hier verpönt«, tadelte Renate und rollte sich in seinen Arm. Er lächelte.
    Mit leiser Eigenwilligkeit übernahm sie die Führung und steuerte in eine Richtung, die dem Tisch der Eltern diagonal gegenüberlag. Hier eroberte Lukas seine angestammte Vormachtstellung mit einer riskanten Kurve zurück. »Aufein! Noch mal!« Der Schwung seiner Bewegung brachte es mit sich, daß er bei solchen Kurven Renate aus Gründen der Fliehkraft fest an sich drücken mußte. Eben dieses genoß sie offensichtlich. Mit jedem Takt schob sie sich näher an ihn, wodurch er während des weit ausgreifenden Drehschrittes den Abschlußknochen ihres Oberkörpers deutlich zu fühlen bekam. Jetzt warf sie den Kopf zurück und sah ihn während der kräftigen Berührung voll an.

    »Na, schön eingetanzt?« erkundigte sich Vater Zierholt, als sie an den Tisch zurückkamen.
    »Herr Dornberg hat einen neuen Schritt, der ist prima!« verkündete Renate mit gutgespielter Artigkeit.
    »Sieh mal an! — Das ist ein großes Lob, müssen Sie wissen. Renate ist nämlich zum nächsten Turnier vorgeschlagen.«
    Das Sektglas in der Hand, wie ein Divisionskommandeur beim Manöverhall, machte Meister Feuchthaber seine Runde von Tisch zu Tisch.
    »Sie haben gutes Schrittgefühl, Herr... Dornberg. Ich konnte Sie eben beobachten. Wenn die kleinen Übermütigkeiten erst abgeschliffen sind, kann sich da ein sauberer Stil entwickeln.«
    »Das muß aber begossen werden! Prösterchen, Herr Dornberg!«
    Zierholts räkelten sich in der Sonne ihres Selbstbewußtseins. Und Renate war schon wieder weg.
    Der Maitre hatte seine Runde vollendet und übersah die Lage.
    »Damenwahl!«
    Quer durch den Saal trippelte Renatchen geradewegs auf Lukas zu.
    »Darf ich bitten?«
    Vater und Mutter sahen einander an, Lukas lächelte und entschwand mit ihr in dezenter Andeutung der »Kurve« dem elterlichen Blickfeld.
    »Gehen wir in unsere Ecke, da ist mehr Platz«, sagte sie. Unsere Ecke! Das Kind bekam seinen Willen.
    Der Tanz, ein langsamer Walzer diesmal, bot ganz neue Möglichkeiten der Fraternisation. Die langen, tauchenden Schritte erschlossen Berührungspunkte, die beide in schweigendem Einvernehmen gründlich erforschten. »Noch mal«, flüsterte Renatchen nahe an Lukas’ Ohr, als das Stück zu Ende war. Er bekundete sein Einverständnis mit leichtem Armdruck. Sie tanzten jetzt Wange an Wange. Von Zeit zu Zeit kompensierte er die anschmiegsame Aggressivität seiner Partnerin, indem er als korrekter Untermieter eine Pflichtrunde vorbei am Tisch der Eltern

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