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Bel Ami (German Edition)

Bel Ami (German Edition)

Titel: Bel Ami (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guy de Maupassant
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man bei ihm die Rasse fühlt.«
    Frau Walter antwortete nichts. Sie war etwas müde und ihre Brust hob sich mühsam bei jedem Atemzug, wodurch Du Roys Augen auf sie gelenkt wurden. Von Zeit zu Zeit begegnete sich sein Blick mit dem der »Frau Direktor«, einem verlegenen, zögernden, flüchtigen Blick, der einen Augenblick auf ihm ruhte, um sich sofort wieder abzuwenden. »Schau, schau,« sagte er sich, »sollte ich die auch schon erobert haben?«
    Die Geldsammlerinnen kamen vorbei, die Börsen waren bereits voll gefüllt mit Gold und Silber und ein neuer Zettel erschien auf dem Podium mit der Ankündigung: »Grrrroße Überraschung.« Die Mitglieder der Jury begaben sich auf ihre Plätze. Alles wartete.
    Es erschienen zwei Frauen im Fechtkostüm mit dem Florett in der Hand. Sie trugen ein dunkles Trikot und ganz kurze Röckchen, die nur zur Hälfte die Schenkel bedeckten. Sie hatten, einen starken Schutzpolster auf der Brust an, so daß sie den Kopf hoch tragen mußten und nicht senken konnten. Sie waren hübsch und jung und lachten, als sie die Zuschauer begrüßten. Langer Beifall empfing sie.
    Dann nahmen sie Stellung, während sich das Publikum galante und nette Scherze zuflüsterte. Ein liebenswürdiges Lächeln trat auf die Gesichter der Preisrichter, die jeden Treffer mit einem leichten Bravoruf begleiteten.
    Den Zuschauern gefiel dieser Kampf und sie äußerten darüber ihre Freude. Sie erregten die Begierde der Männer und erweckten bei den Damen den angeborenen Sinn des Pariser Publikums für die etwas zweideutigen Keckheiten, für den knalligen Dirnenschick und für die Pseudoeleganz und Pseudograzie der Kabarett- und Operettensängerinnen.
    Jedesmal, wenn eine der Fechterinnen ausfiel, durchlief ein Zucken der Freude das Publikum. Besonders die eine, die dem Publikum den Rücken zuwandte, ließ den Mund und die Augen der Zuschauer aufsperren, und es war nicht gerade das Spiel der Handgelenke, was man am gierigsten betrachtete.
    Sie erhielten tosenden Beifall.
    Es folgte ein Säbelfechten, das aber kaum beachtet wurde; denn alle lauschten neugierig, was über ihnen eigentlich vorging. Seit einigen Minuten hatte man ein Geräusch vernommen, als ob man eine Wohnung ausräumte; die Möbel wurden lärmend umhergerückt und über den Fußboden geschleift. Plötzlich ertönte durch die Decke Klavierspielen und man hörte ganz deutlich ein rhythmisches Stampfen der Füße. Die Gäste oben hatten einen Ball veranstaltet, um sich dadurch zu entschädigen, daß sie nichts gesehen hatten.
    Das Publikum im Fechtsaal brach zuerst in lautes Gelächter aus, dann aber erwachte bei den Damen die Tanzlust, sie kümmerten sich nicht darum, was auf dem Podium vorging und sprachen ganz laut miteinander. Man fand den Einfall der Zuspätgekommenen, einen Ball zu veranstalten, sehr witzig; da oben langweilten sich die Leute offenbar nicht, und nun wollte man auch hinauf.
    Inzwischen waren zwei neue Kämpfer aufgetreten; sie salutierten und nahmen Stellung ein, so sicher und gebieterisch, daß alle Blicke ihre Bewegungen aufmerksam verfolgten. Sie fielen aus und richteten sich auf mit solcher elastischen Grazie, mit so maßvoller Energie, mit so sicherer Kraft und so ruhigen kunstgerechten Bewegungen, daß auch die laienhafte Menge überrascht und hingerissen wurde.
    Ihre Genauigkeit beim Treffen, ihre besonnene Gewandtheit, ihre schnellen Bewegungen, die so gut berechnet waren, daß sie langsam erschienen, zogen die Blicke auf sich und fesselten sie durch die Macht der Vollkommenheit ihrer Kunst. Das Publikum fühlte, daß ihm hier etwas selten Schönes vorgeführt wurde, daß zwei große Künstler in ihrem Fach das Beste vorführten, was es an Geschicklichkeit, List, Erfahrung und physischer Kraft geben konnte. Niemand sprach ein Wort, so sehr waren alle Blicke an sie gefesselt. Dann, als sie den letzten Stoß gewechselt, und sich die Hand geschüttelt hatten, brach ein tobender Beifallssturm aus. Man stampfte mit den Füßen, man schrie und heulte. Jeder kannte ihre Namen: es waren Sergent und Ravignac.
    Die aufgeregten Gemüter wurden streitsüchtig. Die Männer sahen ihre Nachbarn mißtrauisch und feindlich an; man hätte eines Lächelns wegen leicht ein Duell provozieren können; sogar Leute, die nie ein Florett in der Hand gehalten hatten, probierten mit ihren Spazierstöcken alle möglichen Hiebe und Paraden.
    Nach und nach strömte jedoch die Menge die kleine Treppe wieder hinauf. Man wollte endlich etwas zu trinken

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