Bel Ami (German Edition)
kurz: »Ach was, ich werde mit den zwanzig Francs von Clotilde frühstücken. Ich schaffe es irgendwie, daß ich es ihr morgen wiedergeben kann.«
Er aß also in der Brauerei für zwei Francs fünfzig. Beim Betreten der Redaktion gab er dem Boten die drei Francs wieder zurück:
»Hier, Foucart, haben Sie das Geld wieder, das Sie mir gestern für meine Droschke geliehen haben.«
Er arbeitete bis sieben Uhr und ging dann Mittag essen, und nahm abermals drei Francs von demselben Gelde. Mit den beiden Glas Bier, die er abends trank, betrug seine Tagesausgabe neun Francs dreißig Centimes.
Da er binnen vierundzwanzig Stunden sich weder Geld noch Kredit verschaffen konnte, so nahm er am folgenden Tage nochmals von dem Gelde, das er am selben Abend zurückerstatten wollte, sechs Francs fünfzig Centimes; und so erschien er zum Rendezvous mit vier Francs zwanzig in der Tasche.
Seine Laune war die eines tollen Hundes, und er nahm sich vor, die Lage sofort klar zu stellen; er würde seiner Geliebten sagen: »Du weißt, ich habe die zwanzig Francs gefunden, die du mir vorgestern in die Tasche gesteckt hast. Ich kann sie dir heute noch nicht zurückgeben, weil meine Lage sich inzwischen noch nicht geändert hat, und außerdem hatte ich keine Zeit, mich um leidige Geldangelegenheiten zu kümmern. Aber das erstemal, wo wir uns wiedersehen, gebe ich es dir zurück.«
Sie kam zärtlich, zuvorkommend und schüchtern. Wie würde er sie empfangen? Und um einer peinlichen Erörterung wenigstens während der ersten Augenblicke aus dem Wege zu gehen, küßte sie ihn so lange als möglich. Er sagte sich seinerseits: »Ich werde nachher noch Zeit haben, um die Sache zu besprechen; ich werde eine Gelegenheit finden.«
Er fand aber keine Gelegenheit und sagte nichts, weil es ihm peinlich war, das heikle Thema anzufangen. Von Ausgehen war überhaupt keine Rede, und sie war in jeder Hinsicht reizend.
Sie trennten sich gegen Mitternacht, nachdem sie das nächste Rendezvous erst auf Mittwoch der nächsten Woche festgesetzt hatten, weil Madame de Marelle mehrere Abende hintereinander zu Diners eingeladen war.
Als Duroy am nächsten Morgen sein Frühstück bezahlte und vier Geldstücke zusammensuchte, die er noch bei sich haben mußte, fand er deren fünf, und eines davon war ein Goldstück.
Im ersten Augenblick glaubte er, man habe ihm gestern beim Wechseln ein Zwanzigfrancsstück aus Versehen zuviel gegeben. Dann aber begriff er und sein Herz begann zu pochen, so sehr demütigten ihn diese andauernden Almosen. Wie leid tat es ihm jetzt, daß er nichts gesagt hatte! Wenn er energisch, gesprochen hätte, so wäre das nicht geschehen.
Vier Tage lang machte er alle möglichen vergeblichen Versuche, sich hundert Francs zu verschaffen, und inzwischen verzehrte er das zweite Goldstück von Clotilde. Als er wieder mit ihr zusammentraf, sagte er ihr zwar sehr ärgerlich: »Weißt du, fange nicht wieder mit deinen Scherzen von neulich Abend an, sonst würde ich wirklich böse.« Trotzdem gelang es ihr abermals, ein Zwanzigfrancsstück in seine Hosentasche gleiten zu lassen.
Als er es entdeckte, fluchte er »Donnerwetter« — aber er steckte das Geldstück sofort in die Westentasche — um es gleich bei der Hand zu haben, denn er besaß keinen Sou mehr.
Sein Gewissen beschwichtigte er, indem er sich sagte: »Ich werde ihr alles auf einmal zurückgeben; es ist doch schließlich nur geliehenes Geld wie jedes andere.«
Endlich erklärte sich der Kassierer der Redaktion auf seine dringenden Bitten bereit, ihm täglich fünf Francs auszuzahlen; das war gerade genug, um sich einigermaßen satt zu essen, aber die Schuld von sechzig Francs zu begleichen, war nach wie vor unmöglich. Da jedoch Clotilde wieder von ihrer leidenschaftlichen Vorliebe für nächtliche Ausfahrten in alle verdächtigen Lokale von Paris ergriffen wurde, so kam er schließlich dazu, sich nicht mehr besonders aufzuregen, wenn er nach einer solchen abenteuerlichen Irrfahrt regelmäßig ein Goldstück in seiner Tasche, einmal sogar in seinem Stiefel, ein anderes Mal im Uhrständer fand. Hatte sie nun einmal Gelüste, die er im Augenblick nicht befriedigen konnte, so war es doch ganz natürlich, daß sie dieselben bezahlte, anstatt sie sich ganz zu versagen.
Übrigens zählte er alles zusammen, was er auf diese Weise von ihr bekommen hatte, um es eines Tages zurückzugeben.
Eines Abends sagte sie zu ihm:
»Denke dir, ich war noch nie in den Folies-Bergère. Willst du mich
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