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Bel Ami (German Edition)

Bel Ami (German Edition)

Titel: Bel Ami (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guy de Maupassant
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eine gewisse Verlegenheit zu verbergen, von der sie nichts merken lassen wollten.
    Der Zug fuhr langsam durch den langen Bahnhof von Batignolles, dann durcheilte er die häßliche, flache Strecke zwischen den Forts und der Seine.
    Duroy und seine Frau sprachen zuweilen ein paar unnütze Worte und wandten sich dann wieder dem Fenster zu; als sie über die Brücke bei Asnières kamen, stimmte sie der Anblick des Flusses, der von Booten, Anglern und Ruderern wimmelte, heiter und fröhlich. Die kräftige Maisonne warf ihre schrägen Abendstrahlen auf die Boote und den ruhigen Fluß, der unter der Glut der sinkenden Sonne unbeweglich wie eine Glasfläche erschien. Eine Segeljacht mitten auf dem Wasserspiegel hatte ihre zwei großen, weißen Leinewanddreiecke ausgespannt, um auch den leisesten Windhauch aufzufangen, und glich so einem riesigen Vogel, der gerade im Begriff war, aufzuflattern.
    »Ich schwärme für die Umgebung von Paris«, murmelte Duroy. »So herrlich geröstete Fische wie hier habe ich in meinem Leben nie gegessen.«
    »Und das Bootfahren«, erwiderte sie. »Wie schön ist es, bei Sonnenuntergang über das Wasser zu gleiten.«
    Dann schwiegen sie, als ob sie nicht gewagt hätten, noch mehr von ihrem vergangenen Leben auszuplaudern; sie blieben stumm und kosteten vielleicht schon die Poesie des Zurücksehnens.
    Duroy saß seiner Frau gegenüber. Er ergriff ihre Hand und küßte sie langsam und bedächtig.
    »Wenn wir zurück sind, wollen wir öfters bei Chatou essen.«
    »Wir werden soviel zu tun haben,« meinte sie in einem Ton, als wollte sie sagen: »Man muß das Angenehme dem Nützlichen opfern.«
    Er hielt noch immer ihre Hand und überlegte unruhig, auf welchem Wege er zu Zärtlichkeiten übergehen konnte. Vor der Unwissenheit eines jungen Mädchens wäre er dabei weniger in Verlegenheit gewesen, aber die raffinierte Erfahrung und der schnelle Verstand, den er bei Madeleine voraussetzte, machte seine Haltung schüchtern und unsicher. Er fürchtete, in ihren Augen linkisch und albern zu erscheinen, zu ängstlich oder zu brutal, zu langsam oder zu hastig vorzugehen. Er drückte leise ihre Hand, ohne daß sie den Druck erwiderte.
    »Es kommt mir sehr komisch vor,« sagte er, »daß Sie meine Frau sind.«
    »Warum?« fragte sie überrascht.
    »Ich weiß nicht. Ich habe ein seltsames Gefühl; ich möchte Sie küssen und wundere mich, daß ich ein Recht dazu habe.«
    Sie hielt ihm ruhig die Wange hin, und er küßte sie, wie er eine Schwester geküßt hätte.
    Er führ fort:
    »Das erstemal, wo ich Sie sah, erinnern Sie sich, es war bei dem Diner, zu welchem mich Forestier eingeladen hatte, da dachte ich mir: ‘Herrgott, wenn ich nur so eine Frau finden könnte!’ Nun ist es geschehen, ich habe sie.«
    »Es ist reizend«, murmelte sie und sah ihn dabei mit ihren stets lächelnden Augen an.
    Er dachte: »Ich bin zu kalt. Ich bin blöd, ich muß energischer aufs Ziel gehen.« Und er fragte:
    »Wie haben Sie Forestier eigentlich kennengelernt?«
    Sie antwortete herausfordernd und boshaft:
    »Reisen wir denn nach Rouen, um uns von ihm zu unterhalten?«
    Er wurde rot.
    »Ich bin zu dumm. Aber Sie machen mich verlegen und schüchtern.«
    Sie war entzückt:
    »Ich? Nicht möglich! Aber weshalb denn?«
    Er setzte sich ganz dicht neben sie. Da rief sie:
    »Ach, ein Hirsch!«
    Der Zug fuhr durch den Wald von St. Germain, und ein erschreckter Rehbock sprang über eine Lichtung. Duroy hatte sich über sie gebeugt; während sie durch das offene Fenster hinausblickte, drückte er ihr einen langen Liebeskuß auf den Nacken.
    Einige Augenblicke saß sie unbeweglich, dann bog sie den Kopf zurück und sagte:
    »Sie kitzeln mich, jetzt genug.«
    Aber er ließ nicht los, sondern strich leise mit erregender und anhaltender Liebkosung seinen gekräuselten Schnurrbart über ihre weiße Haut.
    Sie zuckte zusammen.
    »Hören Sie doch nun endlich auf!«
    Er schob seine rechte Hand um ihren Kopf, packte und drehte ihn zu sich. Dann warf er sich auf ihren Mund, wie ein Raubvogel auf seine Beute. Sie wehrte sich, stieß ihn zurück; endlich gelang es ihr, sich von ihm loszumachen.
    »Lassen Sie es doch!« rief sie immer wieder.
    Aber er hörte nicht zu, er preßte sie in seine Arme, küßte sie mit bebenden, begierigen Lippen und versuchte, sie auf die Polsterbank zurückzuwerfen.
    Sie riß sich mit aller Gewalt von ihm los und sprang heftig auf:
    »Aber wirklich, Georges, lassen Sie das doch! Wir sind doch keine Kinder, daß wir

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