Bel Ami (German Edition)
nicht ihre Aussteuer vernichten, um sich eine neue zu kaufen. Wie es auch sei, es wäre ihm lieber gewesen, daß ihre Wäsche, ihre Nacht- und Leibwäsche nicht die gleiche wäre wie bei dem anderen. Ihm schien, als ob der weiche, warme Stoff etwas von Forestiers Berührung bewahrt haben müßte.
Er ging ans Fenster und steckte sich eine Zigarette an. Der Anblick des Hafens und des breiten Stromes mit seinen Schiffen und ihren schlanken Masten, mit seinen plumpen Dampfern, deren Ladung von Dampfkränen mit lautem Lärm auf die Kais ausgeladen wurde, — das alles packte ihn, obwohl er es schon lange kannte. Und er rief:
»O Gott, ist das schön!«
Madeleine kam herbei, legte ihre beiden Hände auf seine Schultern, beugte sich in hingebender Haltung zu ihm herab. Sie war gleichfalls hingerissen und entzückt:
»Oh! Das ist herrlich! Oh, wie herrlich! Ich wußte gar nicht, daß es hier so viele Schiffe gibt.«
Eine Stunde später fuhren sie ab; sie wollten bei den Alten zum Frühstück sein, denn sie hatten sie mehrere Tage vorher benachrichtigt.
Eine offene, alte Droschke fuhr sie langsam mit furchtbarem Gerassel zuerst eine ziemlich langweilige Allee entlang, dann fuhren sie über eine Wiese, die ein Fluß durchströmte und stiegen endlich langsam ein hügliges Gelände hinauf.
Madeleine war müde und erhitzt von der frischen Landluft und der wundervollen Frühlingssonne, und schlief in einer Ecke des alten Wagens ein.
Ihr Gatte weckte sie:
»Sieh dir das an!« sagte er.
Sie hatten etwa zwei Drittel der Steigung überwunden und machten an einem berühmten Aussichtspunkt halt, wohin alle Fremden geführt wurden. Man übersah von hier das weite Tal, das der breite Fluß in vielen Windungen durchströmte. Man sah ihn in der Ferne mit seinen vielen Inseln, bis er kurz vor Rouen einen weiten Bogen machte. Weiterhin ragte die Stadt am rechten Ufer etwas verschwommen im Morgennebel, in der Ferne blitzten die Sonnenflecke auf den Dächern und den tausend feinen gotischen Kirchentürmchen, überragt von der häßlichen, seltsamen und unproportionierten Bronzespitze der Kathedrale.
Auf der anderen Flußseite ragten rund und oben ausgebaucht die noch zahlreicheren, dünnen Fabrikschornsteine der großen Vorstadt Saint-Sevère und spien aus den Ziegelsäulen ihren schwarzen Kohlenqualm in den blauen Himmel hinauf.
Der Kutscher wartete geduldig, bis seine Fahrgäste sich hinreichend entzückt hatten. Aus seiner langjährigen Erfahrung wußte er ziemlich genau die Dauer der Bewunderung bei Reisenden jedes Schlages.
Als der Wagen sich wieder in Bewegung setzte, bemerkte plötzlich Duroy ein paar hundert Schritt von ihm entfernt zwei alte Leute, die ihnen entgegenkamen; er sprang aus dem Wagen und rief:
»Da sind sie; ich erkenne sie.«
Es waren zwei Bauern, ein Mann und eine Frau, die mit unregelmäßigen Schritten daherkamen und sich dann und wann mit den Schultern anstießen. Der Mann war klein, rot und untersetzt, mit etwas dickem Bauch, aber kräftig trotz seines hohen Alters. Die Frau war groß, mager, dürr, etwas gekrümmt und sah mürrisch und vergrämt aus, wie eine richtige Feldarbeiterin, die von Kindheit auf nur Mühe und schwere Arbeit gekannt und nie gelacht hatte, während der Mann mit seinen Genossen trank und schwatzte.
Madeleine war gleichfalls ausgestiegen und betrachtete die beiden armen Leutchen mit bedrücktem Herzen und einer Schwermut, auf die sie nicht vorbereitet war.
Zuerst erkannten sie ihren Sohn, diesen schönen, eleganten Herrn nicht, und nie hätten sie geahnt, daß diese schöne Dame im hellen Kleid ihre Schwiegertochter sei.
Schweigend und hastig gingen sie ihrem erwarteten Kind entgegen, ohne auf die Stadtmenschen, hinter denen ein Wagen fuhr, achtzugeben. Sie gingen vorüber. Da rief Georges Duroy lachend:
»Guten Tag, Papa Duroy!«
Sie blieben beide stehen, zuerst verblüfft, dann ganz blöde vor Überraschung. Die Alte faßte sich zuerst und stammelte, ohne sich zu rühren:
»Das bist du, unser Sohn?«
Der junge Mann antwortete:
»Aber natürlich bin ich das, Mutter Duroy.«
Und er ging auf sie zu und gab ihr auf beide Backen einen herzlichen Sohneskuß. Dann drückte er seine Schläfen gegen die des Vaters, der seine Mütze abgenommen hatte, eine seidene, sehr hohe Kappe, wie die Viehhändler in Rouen sie zu tragen pflegen.
Dann stellte Duroy vor:
»Das ist meine Frau.«
Und die beiden Bauersleute starrten Madeleine wie ein Wunder mit einer verborgenen Furcht an. Der
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