Bélas Sünden
Küche und versuchte, eine Art Bilanz zu ziehen. Aber ich hatte den Überblick verloren. Béla hatte mich betrogen und ich ihn. Ich war heimgekommen mit dem Vorsatz, mich von ihm zu trennen. Lieber ein Ende mit Schrecken, als ein Schrecken ohne Ende, hatte ich gedacht und ihn ein bisschen mit meiner Ankunftszeit beschwindelt. Vier Stunden. Ich hatte mir vorgestellt, ich könne heimkommen, meinen Mann und meine Tochter in meinem Bett erwischen. Es würde hart werden, das hatte ich gewusst. Aber ich hatte mein Herz mit beiden Händen festhalten wollen, damit er es nicht noch einmal in die Finger bekam. Mit unbewegter Miene hatte ich zum Schrank gehen und ein paar Sachen packen wollen. Und dann zurück nach München fahren, diesmal mit dem Wagen und ein bisschen mehr Gepäck, auch dem Computer. Zu einem Mann, bei dem ich in erster Linie Ruhe finden würde, beruflich jede Unterstützung, auch ein bisschen Zärtlichkeit und Leidenschaft, aber mehr nicht. Nach der ersten Tasse Kaffee versuchte ich, Sonja zu erreichen. Sehr mutig war ich noch nicht. Aber Meta hatte praktisch ein Geständnis abgelegt.»Beweisen müssen sie es mir. Susanne und Anika werden das bezeugen.«
Natürlich, die Mädchen würden alles bezeugen, was Meta ihnen abverlangte. In Sonjas Wohnung hob niemand den Hörer ab. Ein gutes Zeichen – eine Vorlesung an der Uni? Oder ein schlechtes Zeichen – mit Béla auf der Flucht? Nach der zweiten Tasse Kaffee rief ich Dierk Römer an. Er klang zuerst erfreut, nur hielt das nicht lange vor.»Was ist los, Lisa? Du klingst so merkwürdig. Hat es Ärger gegeben?«
Da konnte ich endlich weinen.»Mächtigen Ärger.«
»Beruhige dich, Lisa«, bat er.»Ich konnte doch nicht tatenlos zuschauen, wie dieser Kerl dich kaputtmacht. Vielleicht war es eine blöde Idee. Aber ich wollte es für dich ein bisschen leichter machen. Und ich dachte, man kann mit ihm reden. Wenn ich geahnt hätte, wie er reagiert…«
Herr im Himmel, steh mir bei, dachte ich. Das gibt es doch nicht! Will der Mann mir jetzt auf die beiläufige Tour erklären, dass er meinen Mann für mich aus dem Weg geräumt hat? Da ist dir aber leider ein kleiner Fehler unterlaufen, mein Lieber, du hast den Falschen erwischt. Ich weiß nicht, ob ich flüsterte oder in den Hörer brüllte:»Was? Ich habe es geahnt, ich wollte es nur nicht wahrhaben. Um Gottes willen, was hast du angerichtet!«
Wir brauchten eine Weile, um das zu klären. Natürlich hatte Dierk Heinz nicht erschossen. Er hatte Béla angerufen, um ein Gespräch von Mann zu Mann zu führen.»Jetzt hör mal zu, mein Lieber. Das hat doch keinen Zweck mehr. Am besten ist, ihr trennt euch. Lisa kommt zu mir, und du behältst dein Lokal. Das können wir regeln wie erwachsene Menschen.«
So hatte Dierk es nicht ausgedrückt, aber es spielte keine Rolle, was er gesagt hatte. Ich war furchtbar wütend auf ihn.»Wenn du dich nicht eingemischt hättest, wäre das nicht passiert.«
»Lisa, red keinen Unsinn! Das eine hat doch mit dem anderen nichts zu tun.«
»Doch«, sagte ich.»Doch, das hat es. Du verstehst das nur nicht.«
Ich verstand es auch nicht, aber ich war sicher, dass es so war. Es gab eine direkte Verbindung zwischen Dierks Anruf und den Schüssen auf Heinz, eine einfache, gerade Linie, es musste eine geben. Dierk schwieg ein paar Sekunden, dann meinte er in sehr zurückhaltendem Ton:»Ruf mich an, wenn sich etwas Neues ergibt. Tust du das?«
»Ja.«
Noch ein paar Sekunden Schweigen, dann sagte er:»Und jetzt beruhige dich. Wenn dein Mann heimkommt, sagst du ihm einfach, ich hätte mir einen üblen Scherz erlaubt. Du darfst ihm auch erzählen, ich wäre ein Typ, der gerne mit Erfolgen prahlt, die er nicht hatte.«
Dann legte er auf, sagte nicht»bis bald, Lisa«, wie er es sonst tat. Und ich saß wieder am Tisch, trank noch einen Kaffee und noch einen, rauchte und weinte. Als Offermann gegen Mittag anrief, um sich zu erkundigen, warum Béla bisher nicht bei ihm erschienen war, war ich kaum imstande zu antworten.»Mein Mann ist noch nicht heimgekommen.«
Er wird auch so bald nicht kommen, dachte ich. Es muss ihn ziemlich getroffen haben. Er hat seinen Stolz. In dem Punkt ist er ganz von der alten Sorte. Ein Mann darf mal, hin und wieder. Eine Frau darf nie. Gegen drei legte ich mich auf die Couch und heulte dort weiter. Um Heinz, um Béla, um Sonja, um Marion, um Meta, um die letzten Monate und die letzten Tage, um alles und nichts. Um fünf hatte ich endlich Kopfschmerzen, durch die
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