Bélas Sünden
nichts. Ich glaube dir auch nicht mehr. Warum hast du hier angerufen?«
»Du kommst am besten sofort heim«, sagte ich, nun ebenfalls ruhig.»Dann erkläre ich dir alles. Dann können wir auch klären, wer eine Frau und wer einen Mann hat. Und wir können klären, wer gestern Abend hier in der Wohnung war, und wer sie um welche Zeit verlassen hat.«
»Was soll das, Lissa?«
Er wurde ungehalten und etwas lauter.»Machen wir Ratespiele, oder willst du wieder streiten? Hast du wieder Haare gefunden oder Tücher? Du musst nicht mehr Theater spielen, ich weiß jetzt Bescheid. Pack deinen Kram und geh zu Römer. Ich komm nach Hause, wenn du weg bist.«
»Nein, du wirst jetzt kommen, auf der Stelle. Es waren diesmal keine Haare, Béla. Es nur ein Tuch im Abfalleimer. Und ein Toter. In meinem Schlafzimmer.«
Wieder war es ein paar Sekunden lang still in der Leitung. Als er mich dann fragte, klang seine Stimme atemlos:»Soll das ein Trick sein, Lissa, damit ich nach Hause komme? War dein Römer nicht gut? Bin ich auch nicht mehr, Lissa, jetzt nicht mehr. Ist besser, wir sehen uns nicht. Weiß ich nicht, was passiert, wenn ich dich sehe.«
»Kein Trick, Béla. Heinz ist tot. Ich glaube, er wurde mit deiner Pistole erschossen. Sie liegt jedenfalls nicht mehr in deinem Schrank. Die Polizei hat die ganze Wohnung danach abgesucht, aber gefunden haben sie nichts.«
Ich hörte seinen heftigen Atem.»Ist nicht meine Pistole«, keuchte er.»Ist deine, Lissa.«
Dann schrie er etwas in den Hörer, so laut, dass mir das Ohr schmerzte, vermutlich ein Schimpfwort oder ein Fluch in seiner Muttersprache. Ich verstand es nicht. Und dann war die Leitung tot. Seine Reaktion erschien mir normal, als ob er wirklich keine Ahnung gehabt hätte. Ich stand noch ein paar Minuten in der Diele. Dann ging ich zurück ins Bett. Ich schlief sogar noch einmal ein. Als ich das nächste Mal aufwachte, war es kurz vor neun. Ein trüber Tag. Samstag. Béla war nicht heimgekommen, aber damit hatte ich auch nicht wirklich gerechnet. Ich war hungrig und ging zuerst in die Küche. Nachdem ich gefrühstückt hatte, rief ich endlich Sonja an. Ich wusste nicht genau, was ich sagen sollte. Offen reden?»Hör zu, mein liebes Kind. Ich weiß, dass Béla mich seit Monaten mit dir betrügt. Ich weiß auch, dass du am Donnerstag mit ihm zusammen warst. Ich will jetzt nur von dir hören, wann genau du die Wohnung verlassen hast. Und es ist besser, du sagst mir die Wahrheit.«
Etwas in dieser Art. Ich hoffte inständig, es zu schaffen. Aber dann brach meine gesamte Theorie zusammen. Das Mädchen, mit dem Sonja sich die Wohnung teilte, nahm meinen Anruf entgegen. Mit verschlafener, leicht kratziger Stimme und dem launigen Hinweis:»Hier spricht der automatische Anrufbeantworter. Sie sind wohl nicht ganz bei Trost, Mensch, hier schlafen doch alle.«
Ich nannte meinen Namen. Ich glaube, ich war ruhig dabei.»Oh, ’tschuldigung«, nuschelte sie.»Ich rufe Sonja schon. Aber seien Sie gnädig mit ihr. Wir haben zwei Tage durchgemacht, es waren fast drei. Wir sind erst um sechs ins Bett gekommen.«
»Was habt ihr?«
Da fing es an, dieses Zittern im Innern und die Ungläubigkeit. Zwei Tage durchgemacht!»Gefeiert«, erklärte sie mit der betonten Nachsicht einer immer noch schweren Zunge.»Am Donnerstag kamen die Prüfungsergebnisse, da haben wir mittags angefangen, bei Jörg. Die großen Feten hält man besser bei anderen, da hat man anschließend eine aufgeräumte Bude, meinte Sonja. Und gestern hatte ich Geburtstag. Hätte sich nicht gelohnt, zwischendurch eine Pause einzulegen. Es war gerade so schön. Aber um fünf heut früh haben wir aufgehört und sind nach Hause gekrochen, ganz großes Ehrenwort. Da waren nämlich alle Flaschen leer.«
Etwas brach in mir zusammen; der Damm, hinter dem sich das ganze albtraumhafte Gedankengespinst aufgestaut hatte. Jetzt stürzte es von oben nach unten, rieselte vom Kopf in die Füße. Mir wurde ganz schwer und ganz leicht. Ich mochte es nur noch nicht glauben. Nun erzähl schon, Mädchen, erzähl mir alles, aber lüg mich nicht an.»Und Sonja hat auch gefeiert?«
»Klar doch, sie hat zwei Flaschen allein leer gemacht. Am Donnerstag die mit dem Bourbon, die war aber nur noch halb voll. Und gestern die mit diesem rötlichen Gesöff, weiß nicht, wie es heißt. Es schmeckt wie Glöckchen im Ohr. Ja, und den Schampus natürlich, zum Nachspülen. Sie meinte schon, den Durst müsste sie von ihrem Alten geerbt haben. Aber sie hatte
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