Bélas Sünden
Nase atmen konnte ich schon lange nicht mehr. Trotzdem war mir leichter. Ich nahm zwei Schmerztabletten und ging ins Bad. Diesmal in mein eigenes, obwohl ich dafür den Weg durch mein Schlafzimmer nehmen musste. Und die Blutflecken vor dem Bett waren fast wie eine Mauer. Aber ich kam daran vorbei, duschte heiß und kalt im Wechsel, presste mir minutenlang ein kaltes Tuch aufs Gesicht und sah danach immer noch fast so aus wie Marion, natürlich nicht so jung und nicht so zerschlagen, nur so verweint. Aber mit etwas Schminke hoffte ich, das zu überdecken. Meine Hand zitterte, ich verschmierte die Wimperntusche, nahm ein Zellstofftuch und wischte den schwarzen Streifen vom Oberlid, warf das Tuch in den Abfalleimer. Und da sah ich es. Es lag obenauf. Liasan-Intimpflege! Benutztes Tüchlein und aufgerissene Hülle nebeneinander. Das war der Punkt oder der Paukenschlag, mit dem das Konzert endet. Die Kopfschmerzen ließen allmählich nach, meine Nase wurde wieder frei. Ich war nur noch müde. Und absolut sicher, zumindest in diesem einen Punkt. Sonja war am Nachmittag gekommen, sie hatten ein paar Stunden Zeit bis sieben. Sie war unter die Dusche gegangen, hatte danach das Fenster geöffnet. Sie hatten miteinander geschlafen, vielleicht mehrfach, für zwischendurch hatte Sonja das Tuch benutzt. Anschließend hatten sie noch essen gehen wollen in einem netten Lokal in Köln. Sonja war vorausgefahren. Béla hatte gezwungener- maßen auf meinen Anruf gewartet. Er hatte auch mein Schlafzimmer wieder herrichten wollen. Aber dann war zuerst Marion und kurz nach ihr Dierks Anruf gekommen. Daraufhin hatte er die Wohnung fluchtartig verlassen. Was interessierte ihn noch das zerwühlte Bett, nachdem er nun wusste, dass ich mit gleicher Münze zahlte. Marion hatte daheim erzählt, bei uns wären alle ausgeflogen. Und Meta hatte Heinz unter einem Vorwand in unsere Wohnung geschickt, um ihn dort zu töten. Aber nein, so konnte es auch nicht gewesen sein. Marion war von uns aus zum Kino gegangen. Meta hatte nicht wissen können, dass sich niemand in der Wohnung aufhielt. Ich hatte noch im Einschlafen die Stimme von Heinz im Kopf:»Da kommst du nicht drauf, Lisa.«
Béla rief kurz nach drei in der Nacht an. Ich hatte mich wieder im Gästezimmer ins Bett gelegt. In meinem Zimmer zu schlafen, hätte ich nicht geschafft. Ich war rasch eingeschlafen. Doch als das Telefon klingelte, war ich auf der Stelle hellwach und so erleichtert, als ich seine Stimme hörte. Es fiel mir zuerst nicht auf, wie er meinen Namen aussprach. Dieses Ächzen vor dem Lisa. Das K fehlte, das weiche Sch auch, er gab sich große Mühe, meinen Namen so auszusprechen, wie es alle anderen taten, nur klang er aus seinem Mund hart.»Du bist wieder da«, stellte er fest. Und es klang fast wie ein Grinsen.»Hab ich nicht damit gerechnet, dass du zu Hause bist.«
»Warum rufst du denn an, wenn du nicht damit gerechnet hast?«
Ich konnte förmlich sehen, wie er die Schultern anhob und sich um Gleichgültigkeit bemühte. Aber seine Stimme verriet, dass er die nicht hatte, nicht haben konnte.»Nur Vorsicht, Lissa. Wollt ich dir nicht unbedingt begegnen, aber muss ich mir ein paar Sachen holen.«
»Wo bist du jetzt?«
»Bei Andreas.«
»Und wo warst du gestern Abend?«
»Ist doch nicht wichtig. Aber wenn dich wirklich noch interessiert, auch bei Andreas.«
»Warum belügst du mich? Ich habe in der vergangenen Nacht bei Andreas angerufen. Gisela sagte, du wärst nicht da.«
Zwei Sekunden herrschte Stille in der Leitung. Dann lachte er leise, seine Stimme klang etwas ruhiger. Er versuchte es humorvoll und wurde nur sarkastisch.»Da siehst du, wie es ist, Lissa. Man kann sich nie auf das verlassen, was eine Frau sagt. Ich habe Gisela gesagt, ich bin nicht da, wenn Lissa anruft. Ich wollte nicht gestört werden. Ich musste ein bisschen feiern mit meinem Freund. Ich hatte einen guten Grund zu feiern, ich bin doch jetzt wieder ein freier Mann. Dein Römer hat mich angerufen.«
Er lachte noch einmal. Es klang verletzt und so hässlich.»Dein Römer sagte, ich habe eine Frau gehabt, jetzt hat er eine. Vielleicht kommt die Frau noch einmal zu mir. Sie muss ihre Sachen packen. Aber wenn ich nett bin, kann ich packen. Dann muss sie sich nicht lange aufhalten. Ich war nicht nett, Lissa. Deine Sachen musst du selbst packen. Ich habe mir nur eine gute Flasche genommen und bin zu Andreas gefahren.«
»Das glaube ich dir nicht.«
»Ich weiß, Lissa, du glaubst mir nie. Aber es macht
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